Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 6. Februar 1942
den 6.2.42
Lieber Harald!
Dass gestern nach langer Zeit endlich mal wieder ein Brief von Dir kam, war direkt befreiend. Dein Seelenzustand ist genau der gleiche, wie ich ihn habe und durch Alleinsein und Kälte bedingt. Vielleicht tröstet es Dich, dass es mir genau so geht. Und auch wenn Du von den 28 Tagen, die der Soldat im Jahr lebt, schreibst, trifft das auch auf mich zu. Ich lebe auch nur in der Erwartung auf den Urlaub, denn dann weiss ich wieder, dass ich jung und eine Frau bin. Die Zwischenzeit, besonders natürlich die seit Weihnachten ohne Mädchen ist ausgefüllt von Hausarbeit von morgens bis abends ohne irgendeine Unterbrechung des stupiden Einerleis, wenn man nicht die zweimal Filmbesuch dazu rechnet. Ich habe z.B. seit sechs Wochen vormittags und nachmittags dasselbe älteste Kleid an, weil es sich einfach nicht lohnt, was Netteres anzuziehen. Erstens muss ich auch nachmittags grobe Arbeit tun, und zweitens komme ich mit keinem Menschen zusammen. Das einzige, was ich vor Dir voraus habe, ist, dass ich in Godesberg bin, und das ist nicht viel.
Also, Pappi, halt die Ohren steif. Sobald die Sonne wieder etwas wärmer scheint und die Tage länger werden, wird es Dir und mir wieder besser gehen. Und wenn Du dann Wilhelm Lichtschlag wieder hast, wird es noch besser werden, und ich habe als letzte Rettung immer noch meine Bücher. Und wenn wir dann an die Armen in Russland denken, müssen wir überhaupt schon ganz still sein.
Ich möchte ja schrecklich gerne nach Wangerooge kommen. Vielleicht haben wir Glück, und es klappt. Und wenn Du wieder Urlaub bekommst, dann male Dir nicht vorher viel aus und lege Dich nicht fest, sondern freue Dich nur im Großen und Ganzen, dass Du Urlaub bekommst, und das andere wird sich dann schon finden. So geht es mir wenigstens. Als ich das las, fiel mir ein, dass ich überhaupt noch niemals mir vorher die Urlaubstage ausgemalt habe. Wenn meine Fantasie spazieren geht, denke ich mir immer Sachen aus, die sowieso nie passieren werden, z.B. das Große Los gewinnen und so. Wirklichkeiten, die kommen werden, mir vorher auszumalen, habe ich irgendwie Hemmung, weil sie ja doch anders werden. Und dann musst Du wissen, wenn. Du in Urlaub bist, dass ich schließlich doch Dienst habe und Haus und Kinder nicht einfach solange in den Schrank packen kann, so gerne ich es auch möchte. Aber weil dann Sommer ist, werden wir uns genügend Freizeit nehmen und viel weg sein, damit wir allein sind. Dann sind die langen warmen Abende, an denen man noch viel beginnen kann.
Und nun muss ich an die Arbeit, aber erst musste dieser Brief weg. Und einen Fragebogen lege ich Dir noch