Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 16. Februar 1942
den 16.2.42
Lieber, lieber Harald!
Ein heißer Tag ist mal wieder vorbei, und ehe ich an die Abrechnung Salvini gehe (ich schimpfe immer nur bloß, aber die Abrechnungen lassen mich doch nicht in Ruhe, bis ich sie langsam hintereinander gemacht habe), bekommst Du einen Brief.
Der heiße Tag war aber doch im Großen und Ganzen schön. Grund: Die Omi liegt im Bett und fumscht mir nicht immer zwischen meine Dispositionen und hat schlechte Laune, weil ich ja nun nicht alles im Haushalt gleichzeitig machen kann und (sie) Sachen, die ihr wesentlich sind und mir unwesentlich, eine Hauptrolle zuschiebt.
Und gerade jetzt muss sehr zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem unterschieden werden, damit der Haushält nicht aus den Fugen geht und trotz aller Eile eine gewisse Behaglichkeit und Schönheit ist (worunter ich z.B. auch den Nachmittagskaffee im Wohnzimmer verstehe, den ich mir durch keine noch so angeblich dringende Windelwascherei nehmen lasse und der bei mir Ersatz für den Nachmittagsschlaf ist). Manchmal möchte ich geradezu kündigen, denn Mutters meist schlechte Laune ist schwerer zu ertragen als alles andere und handicapt mich seelisch mehr, als für mich gut ist.
Mit meinen Vieren habe ich heute deutsch gesprochen. Die sind die letzte Zeit ans Naschen gekommen, das ist kaum zu beschreiben. Keine Zuckerdose war mehr sicher. Beim Mittagessen hatte ich sie alle schön beisammen und habe ihnen dann ohne große Sentimentalitäten ein paar klare Worte über das Naschen und seine weiteren Folgen gesagt. Weißt Du, ich finde es ja nicht so schlimm, aber ich kann mich vor vier Naschern nicht retten. Und dann habe ich sie gefragt, ob sie es mir lieber so versprechen wollten oder ihr Ehrenwort geben wollten, aber das dürfe dann auf keinen Fall gebrochen werden, das sei dann sehr schlimm. Worauf alle schrien: Lieber das Ehrenwort.
Und heute nachmittag sagte Heidi zu mir: "Weißt Du, der Teufel hat zu mir gesagt, nimm schnell Zucker, dann merkt es die Mutti nicht und kann nicht schimpfen", aber dann hätte sie 'nein' gesagt. Und Klaus schrie etwas später: "Mutti, nimm doch die Zuckerdose und stell sie ganz hoch in den Schrank, sonst geh ich noch dran". (Das war übrigens ganz aus Klaus’s Mentalität heraus gesprochen).
Weisst Du übrigens, dass das unser zehnter Hochzeitstag war? Den hätte man sonst doch etwas mehr gefeiert wie die Anderen.
Zur Sache Fitschen: Herr Bahn rief mich heute an und teilte mir mit, dass er eine einzelne, ruhige Dame für die Parterrewohnung habe, die darein passe. Und wer ist es? Frau Bantieng. Nun kann ich mich ja wohl schlecht dagegen wehren. Aber Frau Bantieng hatte bei der Besichtigung verschiedenes andere festgestellt. Erstens wohnt in der grossen Mansarde im zweiten Stock eine Frau, die in dieser Mansarde ihr Bett und ihren angeschlossenen Herd hat und darin wohnt und kocht. Zweitens will Frau Hütten von dem neuen Mieter die Gasleitung in den
ersten Stock ersetzt haben und dann muss der neue Mieter die Heizung für das ganze Haus bedienen und Wassergeld und Schornsteinfeger zahlen. Ausserdem ist keine getrennte Lichtleitung da. Meinst Du, ich könne das Ganze vertrauensvoll Möller in die Hand geben? Mir scheint, da wird sich noch allerlei entwickeln. Frau Hütten zieht übrigens Ende dieses Monats aus und wenn sie erst mal in Köln ist habe ich u.U. das Nachsehen. Weisst Du, da komme ich auch mit meinem Pflichtgefühl, nach Möglichkeit alles zu erledigen, nicht weiter,, denn das ist ein Rattenkönig von Verdriesslichkeiten. Frau Fitschen hat übrigens bis jetzt noch nichts von sich hören lassen. Gibt es nicht wenigstens für mich eine Lösung, die diesen gordischen Knoten mit einem Ruck durchhaut, sodass ich wenigstens nichts mehr damit zu tun habe? Ich meine, Harald,, diese Verwaltung wäre von jetzt ab Männerarbeit.
Und damit wird der Brief geschlossen und ich warte auf Deinen Nächsten.
Übrigens hat Frau Ebert, geb. Ledebur, ihre Miete für diesen Monat nicht bezahlt und Frau Miehe erzählt mir vor ein paar Tagen, dass sie einfach ausgezogen sei und dabei auch allerhand von ihr mitgenommen habe. Ich habe sie gemahnt, aber ob das hilft, bezweifele ich ja. Der arme Mann kann ja nie wissen, woran er mit solch einer Frau ist, wenn er eines Tages endgültig mit ihr zusammenzieht.
Diese verdammten Verwaltungen. !!!!
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