den 11.3.42

Liebster Mann! Das ist nun heute der zweite Brief. Eigentlich müsste ich noch so allerlei knüsen, aber weil das ist nicht unbedingt notwendig ist und ich immerhin Lust habe, mit Dir zusammenzusein (meinst Du, es wäre nicht bald Zeit für einen Urlaub?) kriegst Du eben einen Brief.

Ich verstehe nicht, dass Du noch keinen Brief von mir bekommen hast. Ich schreibe Dir doch fast täglich einen und jedesmal an die neue Feldpostnummer. Es scheinen da sehr begabte Zustände in Beziehung Post zu herrschen. Immerhin hoffe ich doch, dass mittlerweile einer mindestens bei Dir eingetrudelt ist.

den 12.3.42

Aus dem Brief ist gestern nicht mehr viel geworden. Ich hatte eigentlich vor, Dir recht viel zu schreiben und gestern nachmittag, als ich in die Stadt musste, war auch ein schöner, langer Brief entstanden. Aber gestern abend war dann alles weg, was ich Dir schreiben wollte.

Heute scheint nun die Sonne wunderschön. Omi Endemann ist ins Kränzchen gegangen, und die Mu und ich haben Bohnenkaffee getrunken und Schmalzbutterbrot dazu gegessen. Jürgen liegt in seinem Bettchen und ist vergnügt. Aufstehen will er noch nicht, seine Verbrennung ist doch ziemlich stark. Und eben habe ich einen schönen langen Brief von Dir bekommen, und ich habe mich sehr gefreut. Erstens über die Länge (Schreibmaschine bekommt Briefen in dieser Hinsicht sehr gut) und dann auch, weil er unvermutet kam. Heidi hatte mir nämlich die Post gebracht, es war nur ein Brief von Herrn Schüler, der mir für das Weihnachtspaket dankte, das er am 16. Februar glücklich bekommen hatte, und ich hätte ja nun lieber einen von Dir gehabt. Und eben kommt Klaus und schreit: "Ich habe einen ganz großen Brief für Dich.“ Ob er ihn unten schon angenommen hatte, ich weiß es nicht. Die Freude war desto größer und auch über das ´Reich´, weil es so unvermutet kam.

Und------ wir haben ein Mädchen. Am ersten April tritt sie an. Sie ist seit vier Jahren in einer ungekündigten Stelle beim katholischen Pastor in Rüngsdorf, und dort ist sie jetzt weggeholt worden, weil das Arbeitsamt der immerhin richtigen Meinung ist, dass eine Haushälterin und ein Mädchen für einen Herrn allein ein bisschen viel heute sei. Sie macht einen sehr netten Eindruck, ist groß und ein bisschen von dem schwerfälligen, aber guten Typ. Ich glaube, dass man gut mit ihr arbeiten kann.

Und nun nimmt auch die Aussicht feste Formen an, dass ich irgendwann, vielleicht gegen Ende April oder Anfang Mai zu Dir komme. Ich habe es fest im Gefühl, schon seit einiger Zeit, dass die Reise unbedingt klappt und die Mu streckt mir das Geld dazu vor, wenn ich nicht irgendwie anders drankomme.

Aber schreibe Du mir, wie Du Dir mein Vordringen beim WBK denkst. Denn ohne Protektion verspreche ich mir nicht viel.

Die Kinder sind süss. Heidi ist 100%ig hausfraulich veranlagt. Helga ist den ganze Mittag schon wieder weg. Die werde nie zu so einer Perle erziehen können, wie Heidi es jetzt schon ist. Trotzdem wird sie ihren Mann stehen. Dafür ist es Heidi wiederum völlig egal, wie sie aussieht. Sie meint immer,

das sei völlig gleichgültig, und sieht verheerend aus, wenn man nicht hinterher ist. Dafür ist Helga nun wieder an sich wie ein Kätzchen, sie sorgt, dass kein Unterrock vorguckt, ist immer sauber gekämmt, zieht ihre Strümpfe glatt und bringt sich um, wenn sie ein Fleckchen an sich hat. Jetzt muss nur noch eins dem anderen von seinen Vorzügen abgeben, dann hätte ich beide richtig. Und Helga wird schon deswegen richtig werden, weil sie viel denkt und auf dem Wege des Nachdenkens zu Erkenntnissen kommen wird (so ging es mir und ich war auch schrecklich verträumt und schwärmte durchaus nicht für Hilfe im Haushalt und tue heute doch, was nötig ist.)

Sieh Dir auch den Film „Menschen im Sturm“ an, ich war sehr von ihm angetan. Weniger vielleicht des Inhaltes wegen, über dessen Durcharbeitung man vielleicht streiten kann als wegen des ausgezeichneten Spieles der Darsteller, besonders Siegfried Breuer als Hauptmann Radick war eine grossartige Leistung (Du kennst ihn bestimmt, wenn auch nicht seinen Namen, ich habe mir ihn auch jetzt erst gemerkt und dann der Politische Geheimpolizist. Vielleicht gefällt Dir der Film auch nicht so, vielleicht hat er nur diesmal bei mir so gewirkt, jedenfalls fand ich diesen Hauptmann Radick (oder Siegfried Breuer) als männlichen Darsteller grossartig. Und dann waren wieder so hübsche, gepflegte Menschen und Zimmer da und das sehe ich immer gerne.

Das Paket haben wir nach Upjever postlagernd adressiert. Ich hätte Dir gerne noch allerlei reingetan, aber ich habe ja nichts. Ein Päckchen Zigaretten stammt von Lisbeth Hessel.

Jetzt, wo wir ein Mädchen haben werden, lassen wir die Umräumerei, die mich ja doch allerlei gekostet hätte. Das Esszimmer hätte hell tepaziert werden müssen. Steckdosen und Radio verlegt, Lampen und Gardinen umgehangen usw. Aber die Kinder behalte ich in der Pflege völlig.

Deine Mutter ist richtig froh, dass die Mu da ist. Sie ist doch ein Mensch, der Stütze braucht und jemanden, der letzten Endes für sie disponiert. Sie hat es bei Deinem Vater bis in die letzten Haushaltssachen eigentlich nie anders gekannt, und mir konnte sie sich, da ich ja viel jünger bin, nicht so ohne weiteres fügen (in dem Sinne, die Verantwortung überlassen) wie es eigentlich ihrer weichen Natur entspricht. Nun merkt man ordentlich, wie sie erleichtert die Sorgen, die sie zu sehr belasteten (weil sie sich verantwortlich fühlte und ihr Pflichtgefühl sie nicht davon entband) der Mu zu überlassen.

Pappi, sollen wir es uns vornehmen, dass ich so gegen den 20. April komme? Frau Siegert, die jetzt unsere Briefträgerin ist (früher hatten sie das Grundstück das jetzt Hufstatts gehört) fährt heute abend nach Tilsit zu ihrem Mann.

Heidi hat ihre Mark sofort in die Sparbüchse wandern lassen. Die Kinder sind überhaupt vom sparsamen Ende. Letzten Sonntag war eine Märchenerzählerin in der Redoute, und sie quälten mich, dorthin zu dürfen. Ich habe ihnen erlaubt, sie dürften die 50 Pf. dafür aus der Sparbüchse nehmen, worauf dann beide meinten, dann wollten sie es doch lieber nicht, Märchen vorlesen könnte ich ja auch, und sie wären sonst nach einer Stunde das Geld los. Überhaupt haben sie ihre kleinen Wünsche (die Groschenwünsche) erheblich eingeschränkt, seitdem sie sie selber bezahlen sollen, und es ist heute schon so, dass jeder Groschen ganz selbstverständlich in die Sparbüchse wandert und niemals am Rhein gegen Liebesperlen umgesetzt wird. Ich glaube, das kommt aber daher, weil sie merken, dass Mutti sparen muss, und sie sind immer ganz glücklich, wenn sie mit irgendetwas erreicht zu haben meinen, dass ich Geld gespart habe, 1000 Küsse Deine Lotti