Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 19. März 1942
den 19.3.42
Liebster Mann!
Ich habe mir die Zeit zwischen dem Putzen und der Abfütterung unseres Jüngsten genommen, um Dir zu schreiben. Heute morgen habe ich das Büro nach seinem langen Winterschlaf gründlich aufgeräumt, und wenn jetzt der Althändler kommt, wird er viel mitnehmen können, auch aus dem Keller, damit wir Luft kriegen.
Und der letzte Schnee wäre auch weg, Gottseidank. Draußen ist es so mild, dass die Kinder ohne Mantel spielen können. Den Steingarten sehe ich jeden Tag nach, aber vorläufig rührt sich dort noch nichts. Die Schneeglöckchen sind aber da.
Ich habe jetzt genau so einen wehen Finger wie die Mu. Wir haben beide den Umlauf und haben uns angesteckt, meint Dr. Schampel. Bloß braucht meiner nicht geschnitten zu werden, weil ich sofort zum Arzt gegangen bin. Nur legt dieser Finger meiner Tätigkeit, was das Putzen angeht, eine Bremse an, und ich möchte doch so gerne alles wieder schön und frisch haben Frühling weckt bei einer Hausfrau die Putzinstinkte, und man muss ihnen nachgeben.
Ich freue mich ja auf die Reise nach Jever, aber als ich den Termin schrieb, hatte ich weiter gar nicht gerechnet dabei. Ich hatte nur berechnet, dass mir das mit dem Einarbeiten usw. am besten ausgekommen wäre. Ich bin ja doch ein Schaf.
Ich hatte Heidi ja versprochen, wenn ich nach Köln führe, sollte sie mit. Nun erinnert sie mich daran, weil am 1. die Ferien anfangen, aber ich glaube, wenn ich jetzt fahren würde, wäre das Ganze bloß eine trübe Angelegenheit, denn Köln hat bei diesem letzten Bombardement wieder so viel mitgekriegt, und diese Trümmerhaufen kommen zu denen, die man schon kennt, so dass das alte gemütliche Köln verschwunden ist und man nur den traurigen Eindruck einer durch Kriegseinwirkungen gelittenen Stadt hat.
Nach dem Kaffee
Ach, Pappi, ich kann für Dich keine Zigaretten sammeln. Wir hatten seinerzeit Heidi mit den Raucherkarten zu Biederbick geschickt, und sie brachte sie nicht zurück. Biederbick kann sich auch an nichts erinnern, und die neuen würden wir nur auf Grund der alten bekommen. Das Ernährungsamt hat mir nun
meinen Antrag rundweg abgeschlagen und stellt mir keine neue Karte aus. Ärgerst Du Dich sehr?
Die Stadt Wuppertal hat zum letzten Mal das Angebot von 1.- Mk gemacht, aber sie wünscht keine Verquickung dieser Sache mit eventuellen Grundstücksangelegenheiten. Ich hatte an die Erben Engels den Brief des Rechtsanwaltes weitergeleitet. Er schreibt heute zurück.
Ich erhielt heute Ihre Schreiben und die Abschrift des Briefes des Rechtsanw. Wiel. Es ist natürlich sehr bedauerlich dass die Stadt keinerlei Zusage betr. Der Baugenehmigung der übrigen Grundstücke gegeben hat. Es wäre noch bei Weil zu erfragen, ob der an sich niedrige Preis von 1.- Mk. als Grundlage für spätere Verkäufe zugrunde gelegt werden könnte. Sollte sich meine Schwägerin mit diesem Preis einverstanden erklären, so werde ich die – nolens, volens – auch tun. Wenn möglich, so holen Sie doch bitte vor einer endgültigen Zusage die Stellungnahme Ihres Mannes ein.
Die Schwägerin hinwiederum wartet auf die Entscheidung ihres Schwagers. Was ist Deine Meinung?
1000000 Küsse, Deine Lotti