Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. März 1942
den 24.3.42
Liebster Mann!
Gleich kommt der Zehn-Uhr-Nachrichtendienst, und bis dahin bekommst Du noch ein paar Worte. Den Tag über kam ich nicht dazu. Änne, unsere alte Änne, war völlig überraschend heute nachmittag zu Besuch gekommen und ist auch über das Abendessen geblieben, und sogar die Kinder haben sich sehr gefreut. Helga erkannte sie sofort, Heidi nicht, kam aber nach einiger Zeit leise zu mir und fragte ins Ohr: Ist das nicht die Änne? Klaus konnte ja keine Erinnerung haben, gab das aber nicht zu, sondern sagte: "Ich habe sie sofort erkannt. Ich habe doch immer Tag und Nacht an sie gedacht und habe gedacht, kommt sie nicht bald?"
Heute habe ich in der Mittagssonne den Garten durchgeharkt und die Beete umgegraben. Bei diesen hübschen Arbeiten kann man auf Minuten den Krieg vergessen. Und auch bei den Kindern.
Heute habe ich mich gewogen. Mit Hut und Mantel wiege ich 126 Pfund. Das ist doch hübsch, findest Du nicht auch? Dabei habe ich zum Entsetzen der Mütter einen tollen Appetit und stehe nach jeder Mahlzeit fast hungrig auf und voller Erwartung auf die nächste. Wenn man 4 Pfund für Kleidung und Schuhe rechnen würde, wöge ich also 122 Pfund. Bei Änne ist es umgekehrt. Die wog damals 122 Pfund und wiegt jetzt 132 Pfund.
Heute bekam ich Deinen Brief. Dass Du Nachturlaub bekommst, wenn ich komme, ist sehr schön, aber verteuert das die Reise nicht enorm? Es ist schrecklich, solch eine prosaische Frage zu stellen, aber ich muss mich darauf einrichten, ob ich ein oder zwei Betten zahlen muss. Und muss ich soweit wegwohnen, dass Du mit dem Omnibus fahren musst?
Was mache ich mit der Weilschen Einkommensteuererklärung?
Ich habe Dich lieb!!! Deine Lotti