Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 31. März 1942

den 31.3.42

Mein lieber Mann!

Dies wird nun wohl der Osterbrief und der erste wieder nach mehreren Tagen. Ich hatte wirklich keine Zeit zu schreiben, denn wir hatten natürlich vor der Ankunft des Mädchens so etwas wie Hausputz gemacht und überall noch ein übriges getan und ich war aus dem Bettenklopfen und Teppiche klopfen, Fensterputzen und derartiges überhaupt nicht mehr rausgekommen. Das ging bis in den späten Abend und ich hatte buchstäblich keine Zeit, mich zu sammeln. Aber das Haus ist dafür auch österlich hergerichtet und bis auf die Blumen schon schön.

Aber einen Hunger habe ich immer, der ist nicht von schlechten Eltern. Ich glaube, ich könnte Berge essen und werde nicht satt. Nun spült die neue Lisbeth unten und ich habe deshalb Zeit, Dir zu schreiben. Ich werde jetzt überhaupt wieder mehr Zeit haben, mich zu sammeln. Heute merke ich noch, dass es nicht so geht, denn ich bin mit meinen Gedanken unten in der Küche. Aber schließlich muss ich doch sagen, dass mir diese gründliche Putzerei doch Spaß gemacht hat, nur war es eben manchmal zu doll und nahm mich so mit, dass ich überhaupt keine Zeit für meine persönliche Pflege hatte.

Mit meinem Finger war ich heute morgen bei Dr. Schampel. Er meint, er sehe noch nicht berühmt aus (ich war immer zu viel im Putzwasser, und Jürgens Wunde ist geätzt worden an Stellen wo sich wildes Fleisch gebildet hatte.

Übrigens ist Dr. Monar seit gestern eingezogen. Jetzt ist nur noch Frau Dr. Klövekorn da, und die hatte sowieso kaum noch ihre Praxis, weil sie selber einen Haushalt und ein Kind hat. Operieren könnte ich Helga jetzt sowieso nicht lassen, denn weder Dr. Schreiber noch Dr. Lorenz sind da, und zu Dr. Milde habe ich nicht das richtige Vertrauen. Er ist übrigens noch der einzige Chirurg für Godesberg.

Nach dem Kaffee

So, ich war jetzt in der Stadt und habe versucht, Besorgungen zu machen, und habe dabei auch gedacht, ich würde Dir einen schwungvolleren Brief schreiben können. Aber ich bring es nicht fertig. Sei bitte nicht böse drum, es hat auch nichts mit Dir zu tun, sondern es ist einfach ein Ausgepumptsein, vielleicht die Entspannung nach den letzten Tagen. Aber das bezieht sich nur auf das Briefeschreiben. Wenn Du hier wärest, würde es wunderschön sein, und ich wäre auch durchaus unternehmungslustig. Und dabei haben wir von dem Bohnenkaffee getrunken, den Du uns heute morgen geschickt hast. Ich danke Dir vielmals dafür, und ich habe mich sehr gefreut.

Und auch für das ´Reich´, das heute kam. Aber Post von Dir habe ich schon lange nicht mehr bekommen. Vielleicht schreibst Du aus demselben Grunde nicht.

Aber das winzige Päckchen Zigaretten soll Dir sagen, dass ich es sehr österlich meine. Denke Dir Kästchen oder Bändchen dazu, denn das würde die Sache nur wieder über 100 Gr. bringen und der Brief käme wieder zurück.

Aber weißt Du, was ich heute bei Gräfen bekommen habe? Vier kleine, lebende Portionskarpfen. Die schwimmen jetzt zum Vergnügen der Kinder in einer Schüssel, und vorläufig ist noch die große Frage, wer sie töten soll, denn sie sollen heute abend zum Kartoffelsalat ihr Leben lassen. Die kleinen Dinger kosteten drei Mark, und früher hätte ich nie und nimmer das dafür ausgegeben, aber heute freut man sich bloß, wenn man etwas Zusätzliches bekommt. Die Leute sind mit Paketen zu sechs Mark wie nichts abgezogen.

Wöller hat heute ein Telegramm aus Vorarlberg geschickt, ich solle ihm die Adresse von Herrn Engels aus Garmisch angeben. Das habe ich eben getan. Vielleicht wird dann doch noch etwas aus dem Verkauf. Bekämst Du dann Provision?

Heidi ist ein kleines Süßes. Sie hat für mich ein Osterpaket zurechtgemacht, die Omis haben es mir erzählt. Sie hat in ein verziertes Kuvert 1,05 Mk. getan, "weil die Mutti nie Geld hat". Und mit dieser österlichen Aussicht schließe ich den Brief und hoffe, dass der, der morgen folgen wird, etwas schwungvoller wird. Heute war es eigentlich nur eine Aufreihung von Tatsachen, aber das interessiert Dich ja auch alles.

Im Vorgarten merkt man den Frühling immer mehr. Die Spitzen des Flieders beginnen sich auseinanderzufalten zu kleinen Blättchen, und die lange Rabatte sieht schon frühlingsmäßig aus, trotzdem erst die Spitzen der Pflänzchen hervorkommen. Aber das frische Grün ist so hübsch. Auch die kleinen Steingartenpflänzchen kommen jetzt, und ich muss sehen, was ich hinsetzen werde, wenn die Primeln genügend herausgekommen sind. Aber schön wäre es, wenn Du Urlaub bekämst und Dich dann selber drum kümmern könntest. Viele liebe Osterküsse, Deine Lotti