Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 2. April 1942

den 2.April 42

Liebster Mann!

Helga und Heidi toben noch um mich rum, und ich werde wohl gleich noch ein Donnerwetter loslassen müssen, ehe sie im Bett verschwinden. Sie sind ganz doll mit ihren Überraschungen zu Ostern für mich, und ich muss mich jetzt schon freuen und werde immer wieder gefragt, ob ich mich jetzt wirklich auf Ostern freuen würde, wenn ich wüsste, dass ich etwas geschenkt bekäme. Ich muss also sehr neugierig sein. Als ich heute zu Linz kam, verhandelte in dem überfüllten Laden Frau Linz sehr angelegentlich mit einem kleinen Persönchen, unserer Helga, und ich glaube, sie hat mir irgendein Buch von Storm gekauft, weil sie meint, das würde mich besonders freuen.

Weißt Du, das sind dann die Freuden, die man so hat als Ausgleich gegen das langsame Ausgepumpt werden von Körper und Seele. Augenblicklich empfinde ich es nämlich so und ich habe das Gefühl, als hätte ich niemals wieder Zeit, mich mir selber zu widmen. Aber das ist wohl Einbildung.

Das neue Mädchen ist zwar sehr nett, aber da sie den ruhigen Haushalt bei dem Pastor ge-wohnt war, wage ich nicht, ihr zu viel zuzumuten und lasse sie nur helfen, und weil die Kinder größer und anspruchsvoller werden, habe ich tatsächlich bis in den späten Abend keine freie Minute für mich, und manchmal bin ich ziemlich unglücklich darüber, weiß aber nicht, wie ich es abstellen soll. Es reißt nie ab. An und für sich hätte ich jetzt mal wieder eine kurze Ausspannung nötig, gerade, weil ich es nicht fertig bringe, mich hier zu entspannen und eigentlich immer auf dem qui vive sitze. In der Beziehung hattest Du eine glücklichere Natur, aber wenn ich mich wirklich zum sitzen zwinge arbeite ich im Geiste schon so lange vor, bis ich aufspringe und trotz aller Müdigkeit weiterwurstele. Und wenn ich wirklich so weit bi, dass ich es nicht tue, dann schreit eins von den Fünfen und ich muss nach oben stürzen und anschliessend meistens gleich wieder nach ganz unten.

Ich lege Dir zwei Bildchen bei, die Helga aus der Hand geschnitten hat. Sie zeigen doch richtige Begabung, nicht? Gibt es nicht dort in irgendeinem Laden noch Buntpapier zum Ausschneiden? Das kostet ein paar Groschen und macht als Geschenk riesige Freude.

Das Wetter ist heute gar nicht österlich, sondern stürmisch und rauh. Ich glaube, aus dem geplanten Karfreitagsspaziergang mit den Kindern wird nun nichts werden. Aber ich versuche, mir auf jeden Fall das Konzert um 11 Uhr mit Edwin Fischer (Bach) und anschließend die Osterscene aus Faust mit verschiedenen Schauspielern zu retten. Hoffentlich gelingt es mir. Wir schicken alle Ostergrüße, die Omis, die Kinder und besonders ich. Deine Lotti