Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 6. Mai 1942

Den 6.5.42

Liebster Mann,

im Radio wird das Air von Bach gespielt, was wir so oft bei Theo gehört haben. Wo sind die schönen Zeiten, oben in der kleinen Wohnung in der Pütz mit Boullo-Bar und den jungen Ehen? Weißt Du, dass Storm gerade so sehr unter dem Gefühl der Vergänglichkeit gelitten hat und dass seine Novellen und Gesichte alle unter diesem starken Gefühl entstanden sind?

Der Frühling in Godesberg wird immer schöner. Jetzt stehen Kastanien und Flieder in voller Blüte. Es ist wundervoll und ich habe mir heute morgen, als ich zu Beithins musste, die Freude gemacht und bin in dieser schönen Morgenfrühe zum Rhein gegangen. An Haus Wendt vorbei und an der Leserschen Wiese vorbei. Schildern brauche ich Dir den Weg ja nicht. Dabei entdeckte ich, dass der Lesersche Park aufgeschlossen und mit Wegen versehen wird als öffentliche Anlage bzw. Naturschutzpark wie mir die Arbeiter erklärten. Dann gibt es wieder einen hübschen Abendspaziergang mehr in Godesberg.

Mein Arm in der Schiene stört mich doch sehr. Ich falle auf diese Weise mal wieder für Dreiviertel mit der Arbeit aus. Ärgerlich. Aber wenn die Sache in acht Tagen wieder gut sein sollte, dürfen wir noch nichts sagen. Immer wieder hört man gerade darin von langwierigen Sachen. Der geplante Hausputz ist nun wieder auf unbestimmte Zeit verschoben.

Den 7.5.43

Ich schreibe schnell zwischen Kinderinsbettbringen und Abendessen. Nachher will ich mit Frau Hillenbrandt in den Film: Zweimal frei im Himmelbett mit Georg Allgander.

Heute nachmittag kam der Brief mit Zeichnung und Hausgrundriß, und ich muß sagen, dass ich es wunderschön finde und nichts daran auszusetzen habe. Sehr hübsch ist die Diele und dass man von der Haustür direkt in den Garten sehen kann. Sehr hübsch auch, dass man vom Esszimmer und Wohnzimmer aus die Terrasse erreichen kann. Vielleicht wird das Haus im wesentlich doch mal Wahrheit. Und unsere Kinder fangen dann an, manierlich zu werden. Ich sehe uns auf der Terrasse schon beim Morgenfrühstück oder mit einem Windlicht am Abend sitzen.

Den 8.

Heute kamen Brief und Buch. Herzlichen Dank. Es beunruhigt mich, dass Erkennungsmarke und Bescheinigung noch nicht bei Dir sind. Ich hatte sie am Abend, bzw. Morgen der Abreise abgeschickt, mitsamt Briefen. Einen Brief von H. Schilling lege ich ebenfalls bei. Er lebt also noch. Schreibst Du ihm mal wieder? Dann grüße ihn von mir.

Ich soll vorläufig keine Schreibmaschine schreiben. Was macht dann die langen Briefe?! Aber Du schreibst doch?

1000 Küsse Deine Lotti.