Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 11. Mai 1942

den 11. Mai 42

Liebster!

Jetzt bekommst Du einen Brief, der auf Mutters Balkon in der Mittagssonne geschrieben ist. Es hat heute morgen sehr geregnet, und nun glitzert alles. Unten auf der Straße spielen die Kinder Nachlaufen. -

Es ist wundervoll warm, gestern war es sogar schwül, so dass ich mich in der Nacht kaum zudecken brauchte. Wir saßen auch bis zum Zubettgehen in leichten Sommerkleidern auf dem Balkon. - Das alles scheint bemerkenswert, weil man den langen Winter immer noch nicht überwunden hat.

Gestern nachmittag war ich bei Fräulein Hunscheidt in dem kleinen Konzert, das eine Pianistin, E. Schmitz-Gohr, gab. Sie spielte die h-moll -Prelude und Fuge von Bach, die Kinderscenen von Schumann, eine Romanze von Clara Schumann und Variationen über ein Telemann-Thema von Reger. Es war ein großer Genuss, der noch dadurch gesteigert wurde, dass man nicht auf unbequemen Stühlen sitzen brauchte, sondern in Sesseln.

Ich will Helga doch im Herbst Stunden geben lassen. Schon, um das Verständnis für gute Musik zu wecken, und dafür ist eben Frl. Hunscheidt die Gegebene. Schon die

Mai 42

Liebster!

Jetzt bekommst Du einen Brief, der auf Mutters Balkon in der Mittagssonne geschrieben ist. Es hat heute morgen sehr geregnet, und nun glitzert alles. Unten auf der Straße spielen die Kinder Nachlaufen. -

Es ist wundervoll warm, gestern war es sogar schwül, so dass ich mich in der Nacht kaum zudecken brauchte. Wir saßen auch bis zum Zubettgehen in leichten Sommerkleidern auf dem Balkon. - Das alles scheint bemerkenswert, weil man den langen Winter immer noch nicht überwunden hat.

Gestern nachmittag war ich bei Fräulein Hunscheidt in dem kleinen Konzert, das eine Pianistin, E. Schmitz-Gohr, gab. Sie spielte die h-moll -Prelude und Fuge von Bach, die Kinderscenen von Schumann, eine Romanze von Clara Schumann und Variationen über ein Telemann-Thema von Reger. Es war ein großer Genuss, der noch dadurch gesteigert wurde, dass man nicht auf unbequemen Stühlen sitzen brauchte, sondern in Sesseln.

Ich will Helga doch im Herbst Stunden geben lassen. Schon, um das Verständnis für gute Musik zu wecken, und dafür ist eben Frl. Hunscheidt die Gegebene. Schon die

ganze Athmosphäre dort wirkt anregend und weiterbildend, ich jedenfalls habe ganz stark davon gezehrt.

Heute war endlich der Althändler da, aber es war doch ein ziemliches Fiasko, denn im entscheidenden Moment konnten sich die Mütter von dem meisten Gerümpel nicht trennen. Na, ich kanns nicht ändern.

Kannst Du vielleicht noch einen einfachen Aquarellkasten (Wasserfarben)( auftreiben? Hier gibt’s keinen mehr, und ich könnte ihn gut gebrauchen. Und Klebzeug?

Könnte ich doch wieder Schreibmaschine schreiben!!!

Ob Du jetzt bald eine Unterkunft hast? Ich würde so sehr gerne kommen. Ausspannen möchte ich auf jeden Fall, wenn es bei Dir nicht sein kann, gehe ich nach Süddeutschland oder zu Schützens. –

Herrlich richt es nach Erde, Gras und Blumen. Eben kam wieder so eine Nase voll.

Herr Hillenbrand muss nun am 19. fort. Nach Lirpha oder wie das polnische Nest heißt. Dann wird ihm auch wohl Russland gewiß sein.

Wann kommt mal wieder Post von Dir? Ich lese sehr gerne Post, Herr Endemann.

Übrigens habe ich Deinen Kravattenhalter mit der Perlmutteinlage gefunden. Er lag in der hintersten Ecke Deines Büroschreibtisches!!!

1000 Küsse Deine Lotti.