Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 26. Mai 1942

den 26-5-42

Liebster,

Meinst Du nicht auch, dass es jetzt, wo Du weißt, dass Du Urlaub bekommst, es eine richtige Notwendigkeit ist? Ich empfinde es jedenfalls so. Heute kam Dein längerer Pfingstbrief. Daß Du Bohnen besorgen willst, ist sehr schön. Wir müssen doch jetzt schon reichlich einteilen, auch zu so vielen. Ich will auch sehr viel Bohnen in Steintöpfe einmachen.

Wenn nur das leidige Geld nicht wäre. Mit dem und mit den zugeteilten Lebensmitteln komme ich auf einmal nicht mehr aus. Kinderschuhe, die frisch gesohlt sind, halten vierzehn Tage bis drei Wochen. Woher soll man das nehmen? Zuteilungen an Fisch, Gemüse oder demnächst Erdbeeren will man sich doch auch nicht entgehen lassen. Und weil die Kinder größer werden, kosten sie mehr Geld in Bezug auf Kleidung. Nun haben sie mir einen neuen Gasmesser hingesetzt, weil der alte angeblich nicht genau war (nicht bei mir allein). Nun ist das Gas allein von 8.- auf 18.- gestiegen und wird nächsten Monat, wenn die Uhr ganz zählt, 25.- mindestens ausmachen, sagt der Mann. (Ohne Licht). Ich habe sofort den Boiler abgestellt, muß nun aber jedes Mal die Treppe runterrasen, wenn oben bei den Kindern heißes Wasser gebraucht wird). Und das ist oft der Fall. Allein den Durchfall-Jürgen habe ich heute dreimal baden müssen.

Aber manchmal geht es auch Billiger. Ich habe Mariechen Pöll vier Paar verwachsene Stiefel die noch sehr gut waren, für Klaus abgekauft, alle zusammen für 5.-. Mehr wollte sie nicht haben.

den 27.5.42.

Die Omis sind heute morgen mit dem Dampfer fort. Es ist ein völlig verregneter Tag und ich kann Dir sagen, es ist ein Kreuz, die Fünf dann um sich zu haben. Keine Minute ist man sicher vor irgend einem Unfug und wenn es nur ist, dass sie mit dreckigen Schuhen auf Stühle und Tische steigen.

Weißt Du, manchmal frage ich mich, wie ich die Fünf mit allem, was dazu gehört, großkriegen soll. Bis so etwas zu richtigen Menschen erzogen ist, muß man doch enorm Kraft verbrauchen. Manchmal bin ich ganz unglücklich vor der Unmöglichkeit, alles zu bewältigen. Jürgen hat mal wieder eine schreckliche Etappe. Ob er ein Jährchen kriegt. Ich kann den Berg Höschen nicht bewältigen. Überhaupt darf man an Wäsche bei Kindern nicht sparen müssen. Und deshalb habe ich dieses Frühjahr allerlei angeschafft und habe noch lange nicht genug. Ach Gott, eben zanken sie wieder…..

1000 Küsse Deine Lotti