Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 30. Mai 1942
den 30.5.42
Mein lieber Mann!
Aussichten auf Dein Kommen wirken immer lähmend auf meine Schreibfreudigkeit. Nun ist auch Hansi da, jung, schick und unternehmungslustig, und die zwei bisherigen Tage waren ein Trubel. Die Stettiner Reise wird immer beschlossener, besonders nachdem Hansi erzählte, wie Schultzens sich auf mich freuen, ganz besonders Hans, und das freut mich nun wieder. Ich soll nach Möglichkeit Kinder mitbringen. Thea beneidet mich so sehr um meinen langen Tisch.
Heute kam das 'Reich' mit der kurzen Notiz. Wo ist Theo verwundet? Das muss ja bald nach seinem Brief gewesen sein, der ja ein echter Theo war. Else wird wohl dort sein?
Unsere Kinder bieten uns immer wieder neue Überraschungen. Gestern ist Helga zum Entsetzen der Passanten vom Balkon am Haus entlang zum Badezimmer geklettert, und Klaus hat sich seine vorderen Haare abgeschnitten. Gestern hat er einen Haufen grüne Kirschen gegessen.
Heute bekam ich einen Überfall von vier Damen Sinemus. Etwas viel. Sie wollten den Fischelschen Keller für sich haben. Die bayrische Sinema hat
ihn ihnen versprochen (sie war auch dabei). Frau Strenger war gottseidank nicht da, und ich habe sie erstmal vertröstet. Denn auf Argumente lassen sich die Sinemas nicht ein. Sie waren reizend aber angreifend.
Ob Du heute in acht Tagen da bist? Das wäre ja das richtige Geburtstagsgeschenk.
Hansi meint, Hans spricht mit Selbstverständlichkeit von Deinem Zug nach Osten in die. Firma. Und was er von mir für eine Meinung hat, kann ich Dir anstandshalber gar nicht swiedererzählen. Wenn Du mich auch so siehst, kann ich zufrieden sein. Bloß, dass ich sowas selber nie glaube, sondern mich ganz anders sehe. Die Wahrheit wird dann ja in der Mitte liegen. Wenn ich auch nicht schreibe, sollst Du es doch. Ich bin etwas zärtlichkeitsbedürftig. Din Lött