Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 27. Juli 1942
den 27.7.42
Ach, liebster Mann, mir ist ein Stein von der Seele gefallen, dass ich mit Dir gesprochen habe. Wie sich die Sache mit dem Wassergeld nun weiter entwickeln wird, weiss ich nicht, Beerenrath geht auf jeden Fall morgen früh hin.
Aber nun wird nicht mehr davon gesprochen, denn ich habe ja den größten Stein auf Dich abgewälzt (was für ein Glück, dass es Telefon gibt), und nun wird der Brief geschrieben, den ich seit heute morgen schon vorhatte.
Denn heute ist unser Grafenwerther Tag, war mir eingefallen, aber heute hätte ich sowieso geschrieben, ich hatte es mir als Feierabendfreude aufgespart. Den Tag über hatte ich sehr brav und beinahe ununterbrochen Büro gearbeitet (dabei stehen in der Küche Stachel- und Johannisbeeren) aber mir brummte zuletzt der Kopf.
Ach, Pappi, war das schön, dass ich wenigstens mit meiner Stimme vorhin in Jever war. Ich stehe manchmal im Geist noch vor der Einfahrt des Horstes (weiter kann ich mir ja keine Vorstellung machen} und sehe in die Richtung, wo Eure Unterkünfte liegen. Und dann hatte ich Dir am Telefon so viel Liebes sagen wollen, und das Gespräch über das olle Geschäftliche war eigentlich nur die Verkleidung des anderen. Das musst Du Dir dann denken. Und im letzten Brief hatte ich vergessen, Dir zu sagen , wie ich mich über Deine Liebe und Fürsorglichkeit freue, über das Briefpapier, die Schokolade und die vielen Kleinigkeiten, an denen man merkte, dass Du mich lieb hast.
Hier ist wieder, nach einem sonnigen Tag und zwar dem meiner Ankunft, derselbe Regen. Nur ist die Luft waschküchenmäßig, und das ist nicht schön. Übrigens, auf den Feldern zwischen Köln und Godesberg war der Roggen schon gemäht und sogar teilweise eingefahren. Die gemähten Felder fingen schon kurz hinter Osnabrück an.
Übrigens, in der Wehrmacht ist alles möglich. Strenger kommt morgen auf Urlaub, und nun hatten sie ihn doch gerade mit viel Mühe bis Kirkenäs transportiert.
Wilhelm Düren ist in der Ukraine, erzählte Frau Angelkorte. Und Theo ist wieder ins Bett gesteckt worden. Gesler sah ich diese Woche. Er hat kurz Urlaub, muss diese Woche nach Hamm, drei Monate g.v. Heimat, und dann gehts wieder nach Mütterchen Russland, wie er sagt.
Der Vorgarten sieht hübsch ordentlich aus. Die Kletterpflanze am Balkon hat sich sehr gut erholt. Der Liguster muss dieser Tage geschnitten werden. Die kleinen Aubretienpflänzchen habe ich von dem Fettkraut befreit, das in der kurzen Zeit wieder alles überzogen hat. Von der Katalpe blüht witzigerweise nur die Hälfte nach Unverzagt hinüber, die andere Hälfte hat keine einzige Blüte angesetzt.
Und nun weiss ich nicht mehr viel. Ich war eben in Gedanken auf dem Marktplatz in Jever und sah mir das Schloss an (und
drin bist Du nicht gewesen, wirst Du nun ja wohl sagen) und ging dann den Weg zu Carels hinunter.
Was soll ich Dir noch von den Kindern sagen? Helga sass heute in der obersten Spitze der Katalpe und sang aus voller Kehle. Ursel ist in den vier Wochen merkwürdig still geworden und lieb und folgsam. Außerdem bekommt sie eine hausmütterliche Ader. Klaus hat nun vier Bruchautos. Er hat sie ja auch abgelegt geschenkt gekriegt und kann sich den ganzen Tag damit beschäftigen. Abends müssen sie mit ins Bett. Und Jürgen hat auch eine ganze Galerie: "Da Auto", (ich geb's ihm) "Da Wauwau" (ich geb's ihm), "da Gack-Gack" (ich geb's) "da Ga-Gack" (das ist die kleine Ente, ich geb's). Dann sagt er danke und legt sich hin. Wehe, wenn eins fehlt, dann tobt er.
Denke bitte an die Raucherkarte, wenn alles abgeschnitten ist, damit ich eine neue bekomme. Viele, viele liebe Küsse. Ich habe so Sehnsucht nach Dir,
Din Lött.