Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. August 1942

den 20.8.42

Liebster Mann!

Das verstehe ich nicht, dass Du außer der geschäftlichen keine andere Post von mir bekommen hast. Ich hatte Dir doch z.B. einen langen Brief geschrieben mit einer Einlage dabei, die ich in der Nacht nach Deiner Abreise geschrieben habe. Und dann habe ich Dir am Sonntag wieder einen Brief geschrieben einen persönlichen. Vielleicht hast Du sie inzwischen bekommen. Nach dem Sonntag habe ich allerdings nichts geschrieben, weil die Tage rasten und weg waren, ehe sie richtig angefangen hatten und zweitens Du mich ja auch nicht sehr reich mit Post bedacht hast. Und die war auch rein geschäftlich. Das soll nun wieder nicht vorwurfsvoll klingen, wie es geschrieben vielleicht aussieht, denn Du wirst wohl viel Arbeit haben, aber man braucht ein Echo. Gestern abend wollte ich Dir nun schreiben, aber ich hatte zuerst einen langen Brief an Schultzens verfasst und als der zu Ende war, quälte mich die Mu, mit ihr ein Glas Bier im Bahnhof zu trinken, und als wir das taten, kam die Sondermeldung von der Invasion der Amerikaner.

Worauf wir dann nach Hause schossen, damit Herkenraths diese Nachricht auch noch im Radio mitkriegten. Herkenraths sind noch hier und werden wahrscheinlich bis Ende September bleiben. Hattet Ihr vielleicht mit dieser bevorstehenden Invasion zu tun, dass Du keine Zeit zum Schreiben hattest? Und meinst Du, dass der Amerikaner es nun noch mehrmals versuchen wird?

Heute sind es nun wieder acht Tage, dass Du weg bist. Und die Zeit läuft und läuft, und die Tage werden kürzer, und damit kommt der Winter und Dein Weihnachtsurlaub, und darauf lebt man eigentlich zu. Aber ich bin froh, dass es so ist und dass ich mit Dir so stehe, dass ich die Sehnsucht habe, mit Dir immer zusammen zu sein. Das ist das Gute, das der Krieg für uns beide gebracht hat, dass alle Schatten weg sind.

Die letzten Tage war es sehr schwül, und heute nachmittag regnet es nun. Dafür sind alle oben versammelt, und ich habe das unheimliche Gefühl, dass sich oben etwas zusammenbraut. Nur Ursel ist hier und quält mich erheblich. Die Mu ist in ihrem Kränzchen, und Lisbeth holt Kartoffeln.

Ich lese augenblicklich ein Buch über Bettina von Arnim „die Frau, die die Romantik selber war“. Weißt Du, deren Romantik grenzt für unsere heutigen Begriffe aber auch schon sehr stark an Hysterie und Übergeschnapptheit. Sie liegt mir nicht, wenn ich sie mir ganz persönlich und lebendig in ihren Handlungen vorstelle. Im Gegenteil.

Frau Linz sagte mir, dass ich, wenn ich Bücherwünsche hätte, sie jetzt schon für Weihnachten bestellten müsste. Vielleicht könnte man das eine oder andere beschaffen. Weißt Du vielleicht auch irgendein besonders gutes oder interessantes Buch?

Und nun muss ich runter, um Helga bei ihren Schulaufgaben zu helfen. Das Mädchen ist von einer unglaublichen Nachlässigkeit, wenn man nicht dauernd hinter ihr her ist. Und wenn sie mir helfen soll, hat sie nur Dummheiten im Kopf. Gestern z.B. schickte ich sie runter, um auf dem unteren Flur zu stauben. Als ich dann kam, War das natürlich nicht geschehen, dafür hatte sie die Venus mit dem Staubtuch elegant angezogen, damit sie nicht so fröre. Und wenn sie ein Wohnzimmer aufräumen soll, ist da auch irgendeine Harlekinade passiert. Immer nur dummes Zeug im Kopf.

Ist Frau Lichtschlag noch bei Carels? Und gehst Du noch manchmal hin?

In der Wassersache R. u. M.. habe ich noch nichts weiter getan, weil ich nicht richtig wusste, was. Und nun muss ich ja auch die Antwort der Firma abwarten. Oder was soll ich tun?

In der Verwaltungssache Weil tue ich augenblicklich auch nichts, weil ich auch nicht richtig weiss, was. Bahn hat mir gesagt, dass ich vorläufig nichts tun solle, weil er sie hat. Wir sind jetzt also Beide eingesetzt. Kann man denn vom Finanzamt für diesen Monat die Provision verlangen? Eigentlich doch.

Hat Theo Dir was wegen Heinz R. geschrieben? Mich interessiert es doch, ob die Sache wenigstens beigelegt wird.

Ich muss jetzt runter.

Viele Küsse,
Deine Lotti