Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 27. August 1942
den 27.8.42
Liebster Mann!
Es ist die Zeit vor dem Zweiuhrnachrichtendienst, wo ich Dir schreibe. Heute nachmittag werde ich mit den Kleinen allein zu Hause sein. Lisbeth hat frei, und die Mu und die Großen gehen ins Kränzchen nach Mehlem zu Böhm. Dann werde ich nicht dazu kommen.
Im Moment setzt auch der Alarm ein, und das ist unwirklich bei diesem warmen sonnigen Wetter. Es wäre sonst wie lauter Frieden. Heute sind es 26 Grad im Schatten, nicht so heiß wie gestern. Aber wir sind glücklich über die Wärme, die wir ja den ganzen Sommer entbehrt hatten.
Sag mal, Harald, warum hast Du nicht wenigstens ein paar Worte geschrieben, wenn es Dir auch nicht gut ging? Und wenn Du Dir nur vom Herzen geschrieben hättest, wie Dir zumute ist. Denn dazu sind wir doch Mann und Frau, dass Du mir auch schreibst, wenn es Dir körperlich oder seelisch nicht gut geht. Denn wir sind doch dazu da, alles miteinander zu teilen und ich kann Dir dann doch, wenigstens im Brief, vielleicht etwas helfen. Und schiebe bitte die Untersuchung nicht auf die lange Bank und schreibe mir so schnell wie möglich das Ergebnis. Oder ist die Unstimmigkeit seelisch bedingt? Dann schreibe es mir und ich versuche Dir zu helfen und zu raten, so gut ich kann.
Draußen ist es ganz wunderschön, ein Nachsommer wie man ihn sich nicht besser wünschen kann. Alle Sommerkleider, für die man bisher keine Verwendung hatte, kommen der Reihe nach dran. Die Kinder haben nur Spielhöschen an, und das ist auch erfreulich für den Wäschesack.
Helga ist doch ein richtiges Äffchen. Sie trägt mit Vorliebe weiße Strümpfe. Wenn sie schmutzig sind, wäscht sie sie, hängt sie auf dem Speicher auf und holt sie am nächsten Morgen, um sie dann wieder in der Schule anzuziehen. Aber ihr Geburtstagstisch wird doch sehr mager werden. Ich habe bis jetzt bloß ein Spiel erwischt. Von Omi Hechtle bekommt sie einen Pullover. Das ist aber bis jetzt rein alles. Noch nicht mal was Süßes habe ich. Helga schlug aber vor, ich solle ihr dann wenigstens Kandiszucker schenken, und das werde ich tun.
Also, ich kann keine Einmachbohnen von Frau Lambertz beziehen. Das steht endgültig fest. Auch Obst kann sie mir nicht liefern und wenn, dann nur ein wenig in der Handtasche, dass es keiner merkt. Das ist bei uns ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Dass die Berchtesgadener Sache nun für Dich nichts wird, tut mir herzlich leid. Ich hätte es Dir wirklich gegönnt. An ein Mitkommen meinerseits wäre ja sowieso kein Gedanke gewesen, ich hatte den Plan dazu auch schon völlig aufgegeben, sodass also für mich die Enttäuschung nicht da war. Ich hätte wirklich nicht gewusst, woher ich das Geld hätte nehmen sollen. Ich muss ja noch an der vorigen Reise herumlaborieren und komme sowieso immer weniger mit meinem Geld
aus. Aber dir hätte ich die Reise wirklich gewünscht und sie wäre dann auch ohne mich sehr hübsch geworden, jedenfalls ist eine Reise ohne mich immer noch besser wie überhaupt keine.
Kannst Du Dich nicht krank melden? Das meinte Trude und Frau Strenger. Bitte, sieh das wiederholte Berühren dieses Themas nicht als Triezerei an, es ist lediglich Sorge.
Die Ausfüllung der Bogen für Luftschutzkostenerstattung kann ich nicht auf dem Amt machen, weil die Sache das Bonner Finanzamt angeht. Soll ich nicht doch bis zu Deinem Winterurlaub waren? Die Rechnungen liegen nun schon fast zwei Jahre, da kommt es auf die paar Monate auch nicht mehr an.
Nun ist alles ausgeflogen. Das Haus liegt in einer geradezu verzauberten sommerlichen Stille – eine völlig ungewohnte Sache.
Vor mir steht das Telefon. Es ist doch ein schöner Gedanke, sofort mit Dir sprechen zu können. Schade, dass es so teuer ist.
Viele liebe Küsse
Deine Lotti.