Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 27. Oktober 1942

den 27.10.42

Lieber Harald,

ich kann mir Dein Schweigen nicht erklären. Der Erste steht bald vor der Türe und ich vor dem Nichts. Ich habe vorhin mit Ilse Gesler gesprochen. Sie sagte: Siehste, ich habe Dir ja immer gesagt, dass Du die Verwaltungseinnahmen beim Familienunterhalt angeben musst. Das wird alles vom Familienunterhalt abgezogen. Man darf nichts darüber verdienen. Sie muss jetzt auch die Einkommensteuernachzahlungen, die bei der Einberufung ihres Mannes gestundet waren, in voller Höhe nachzahlen.

Nimmst du die ganze Sache wirklich so leicht, wie Du geschrieben hast? Ich verstehe das nicht richtig. Es muss in Bonn eine förmliche Aufrechnung mit allen Belegen gemacht werden, auch was wir an Unkosten bei den Verwaltungen gehabt haben und die Zinsen, die ich für alle möglichen Sachen gezahlt habe, um einigermassen rauszukommen. Und dann werden sie in Bonn eine neue Aufstellung machen abzüglich der verdammten Verwaltungseinnahmen.

Bist Du krank, dass Du nicht schreibst oder hast Du soviel Arbeit? Immerhin würde es doch zu einer kurzen beruhigenden Nachricht für mich langen, wenn Du Gefühl dafür hättest, aus welcher Not heraus die Briefe geschrieben sind. Ich hätte Dich ja auch mit dem ganzen Kram nicht belästigt, wenn ich klare Verhältnisse in Bonn hätte vorlegen können, aber so weiss ich mir keinen Rat.

Ich überlege schon, ob ich an Dr. Lichtschlag schreiben soll, dass der mir Auskunft über Dein Schweigen gibt. Zumindest musst Du auch sehen, dass Du Urlaub bekommst, um die Sache zu regeln und wenn das nicht, dann, dass ich am Ersten das Geld bekomme. Denn letzten Endes ist es ja nur daher gekommen, dass Du mir nie geglaubt hast, wenn ich Dir sagte, der Nebenverdienst muss beim Landratsamt angemeldet werden.

Ich muss wieder sagen, Dein langes Schweigen begreife ich nicht und auch nicht, weshalb Du Dich nicht umgehend mit Bonn in Verbindung gesetzt hast. Dass das keine Spielerei ist, merkt doch jeder. Und mit Nichtbeantworten des Briefes ist auch nichts getan, denn es ist so gekommen, wie ich Dir vorausgesagt hatte, sie sperren mir das Geld.

Ich hatte Dich auch gebeten, anzurufen. Aber das war auch vergebens       

Deine Lott