Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 6. Dezember 1942
6.12.42
Liebster Mann!
Heute abend bin ich geschäftlich, trotzdem es Sonntagabend ist und die beiden Großen bei mir sitzen. Aber heute morgen schrieb Pfarrer Grashoff im Anschluss an das rundschreiben wegen der Hauszinssteuerablösung. Und nun frage ich Dich um Rat und bitte Dich, mir umgehend einen Brief aufzusetzen, den ich ihm schicken kann.
Also, Pfarrer Grashoff schreibt, lieb wie immer und mitten zwischen der Sonntagspredigt, dass er über sein Vermögen einen kurzen Überschlag gemacht hat und gegen zweitausend Mark aufbringen kann. Er fragt nun, wie viel sein hiesiges Guthaben ausmacht und will dann scheinbar die Sache sofort zahlen. Ich habe einen provisorischen Überschlag gemacht und Einnahmen und Ausgaben, und demnach müsste er gegen 1000.- Mk. haben. Da er aber 3240.- Mk. Ablösung bezahlen muss, kämen wir zum Schluss immer noch nicht hin und es müssten ein paar Hundert Mark aufgenommen werden, da ja hier immerhin auch Betriebskapital bleiben muss. Seine zweitausend Mark muss er überall zusammenkratzen.
Ich bitte Dich nun, mir einen Brief aufzusetzen, in dem ihm möglichst klar auseinandergesetzt wird, wie er die Sache am praktischsten handhabt und dass es Unsinn ist, hier alles wegzuziehen und sich auch dort aller Möglichkeiten berauben und dass alle Kassen angewiesen sind, die Darlehen zu geben. Ich glaube, er ist zu ängstlich, ein Darlehen aufzunehmen und hält das irgendwie für unreell.
Ich muss Dich bitten, das möglichst schnell zu machen, denn bis zum 31. muss das Geld ja beim Finanzamt sein. In Klammer: die Mutter hat auch noch keinen Schritt getan.
Dann komme ich mit den Geldern Engels ein bisschen in Bedrängnis. Bis zum 31. müssen noch 400.- Abgeltungsbetrag gezahlt sein, dazu 69,90 Reichsnährstand und auf dem Konto sind 390.- Mk. Wenn wir dazu unsere 300.- Mk. Verdienst rechnen und die Spesen, dann ginge die Rechnung immer noch nicht auf. Aber Du kannst das ja hoffentlich Ende des Monats regeln. Hoffentlich kommst Du auch, denn am Jahresende brauche ich Dich zu allen diesen Sachen sehr.
Mittwoch gehe ich nun zum Landratsamt und sehe, was sie mir vorläufig geben.
Morgen schreibe ich Dir auch wieder einen lieben Brief. Heute abend bin ich etwas abgespannt. Lisbeth hatte frei, und draußen herrschte Regenwetter, das
sagt genug. Außerdem habe ich die Weihnachtspakete für Hansi, Thea und Dich fertiggemacht…Für Dich eine Schachtel mit Plätzchen, damit Du was zum Knabbern hast. Du glaubst nicht, mit welcher Freude ich so ein eigentlich nichtssagendes Päckchen gepackt habe, denn wenn ich ein hübsches mit Geschenken zurechtgemacht hätte, wäre es ja in dem Fall gewesen, in dem Du nicht hättest kommen können. Ich glaube, die Weihnachtstage können mir nicht schnell genug rumgehen.
Frau Linz hat drei Tage geschlossen, also ist ihr Mann gekommen. Karl Vogels Mutter ist jetzt endlich gestorben.
Ich schicke Dir ein paar Abzüge, die anderen kommen im nächsten Brief. Ich habe Angst, dass dieser Brief sonst über 20 gr wird und dann wird er nicht angenommen.
Ich habe diese Woche so doll gebacken, aber schon sind wieder riesige Löcher in den Kästen. Nikolaus und Pakete packen haben sie gerissen. Nun muss ich in der übernächsten Woche, wenn das neue Mehr kommt, nachbacken.
Übrigens war gestern ein richtiger Nikolaus da, Lisbeth war es, und sie war sehr gut in dieser Rolle. Jürgen folgt jetzt sehr artig, wenn man nur sagt, da kommt der Nikolaus. Ursel war sehr couragiert, sie hatte scheinbar ein sehr gutes Gewissen. Klaus verschwand wieder unter dem Schreibtisch.
Also bitte, erfülle mir rasch den Wunsch und schreibe mir was für Grashoff auf. An und für sich wäre es mir ja lieb, wenn ich an ihn einen Teil abstossen könnte, damit ich möglichst rasch ins Reine komme. Dann wären soweit alle in Ordnung. Wäre das nicht schön? Aber ich muss auch sehen, was Bonn mit mir vorhat.
Din Lött