Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 15. Dezember 1942
den 15.12.42
Liebster Mann,
also, ich war auf dem Landratsamt. Die Berechnung, die er mir vorlas, ging so geschwind, dass ich sie nicht behalten habe, sie soll aber erst mit Dir geprüft und durchgesehen werden. Das Kurze und Lange ist:
Zustehender Familienunterhalt vom 1.10.40 bis 31.12.42,
9.460,90 Mk
gezahlt, 11. 497,30 Mk,
Überzahlung 2. 036,40 Mk.
Die muss ich nun ersetzen. Er schlug eine Abzahlung von 100.- Mk. monatlich nach der neuen Berechnung statt 439,- 470,-, also 40,- Mk. mehr. Er schlug nun vor, die eine Abzahlung für die Kriegsdauer einzustellen und 10.- Mk. von mir dabei zu tun, damit ich monatlich 100,- Mk. zurückgeben kann. Das wäre eine sehr anständige Lösung, meint er. Ich werde auch vielleicht noch 250.- von der 300.- Mk. die wir an Gummersbach zahlten, ersetzt bekommen die dann auch abgezogen werden, sodass ich dann in anderthalb Jahren nach meiner Berechnung von dem Kram runter bin.
Für Weihnachten sind mir jetzt 160.- Mk. ausgezahlt worden. Die 200.- Mk. aus November werden sofort eingehalten. Nun hatte ich so genau gewirtschaftet, dass diese 200.- Mk. genau die Zahlung an Holbach, die 201.- Mk. beträgt ausmacht, die ich im Dezember zahlen muss. Wie meinst Du, kann ich das beibekommen? Denn diese 160.- Mk. brauche ich restlos: Weihnachtsgeschenk Lisbeth, Vorauszahlungen der Mütter, Weihnachts-Sonderzuteilungen usw.
Der Familienunterhalt ist so berechnet, dass nach Abzug der 100,- Mk. ich ungefähr dasselbe zu leben habe wie früher und nun wirklich von allen Verwaltungen die mir zustehenden Provisionen bekomme. Was mache ich nun? Du kannst es Dir mal durch den Kopf gehen lassen. 295,- rein zu verleben für mich, die Kinder und Lisbeth habe ich unbedingt nötig unter den heutigen Verhältnissen (Teurerwerden der Sachen, schnellerer Verschleiß der gekauften, Größerwerden der Kinder, Reparaturen, sich die unbedingt notwendigen Sachen nicht nach dem Geldbeutel aussuchen zu können, sondern ungeachtet des Preises nehmen zu müssen, weil keine andere Wahl bleibt).
Er bittet Dich, sofort am 3. Januar zu kommen, wenn es nicht vor dem 1. geht, um die Berechnung endgültig fertigzumachen. Das Geld für Januar ist nämlich schon angewiesen und macht erst wieder 239,- Mk. aus.
Jetzt will ich mir vorher keine Sorgen machen, weil Du es mir ja ausdrücklich gesagt hast. Bei der Zahlung Holbach stört mich was in meinem Gleichgewicht. Aber sorge dafür, dass Du auf jeden Fall Urlaub bekommst, schon im Hinblick auf die restliche Auszahlung des Geldes, das ich ja unbedingt brauche.
Noch etwas: Jetzt habe ich natürlich das Hohlsche Geld um die 10.- Mk. Auslage für Voorthuysen nötig. Das sind zusammen 40,- Mk. und eine Grundlage für eine Abzahlung.
Ich kriege jetzt für Lisbeth 68.- statt 30.- Mk. und Wassergeld und Schornsteinfeger zusammen monatlich 3,70 Mk. Sieh zu, dass Du einen Weg findest, dass mir statt 295,- Mk. im Monat vielleicht 10 Mk. mehr bleiben. Ich kann genau rechnen, und es ist unter den heutigen Umständen wirklich kein Luxus. Alles wird so schrecklich teuer.
Wir essen. Ich habe Dich lieb. Das klingt vielleicht im Anschluss an diesen Brief, der eine Folge von früher ist, ja komisch, aber es ist so, hundertprozentig so, und deshalb schreibe ich es. Ich freue mich deshalb auch so auf Deinen Urlaub.
Ich hatte übrigens schon an Grashoff geschrieben weil mir die Antwort zu lange dauerte. Ich hatte fast genau so geschrieben.
Heute nachmittag gehe ich mit den Großen ins Weihnachtskonzert ins Päda.
Omi Endemann ist seit gestern ausnehmend schlechter Laune, vielleicht im Prozentsatz der Annäherung ans Fest, aber das war ja immer so. Dass ich heute nur 160.- Mk. brachte, war gefundenes Fressen: "Den Fleischzahn müssen wir uns ausziehen, die Sonderzuteilungen zu holen, ist selbstverständlich kein Gedanke, wir müssen eben diesmal aufs Weihnachtsfest verzichten.“ Ich dachte bloß, verzeih mir den Gedanken, und böse wars ja auch nicht gemeint: Endemannsches Weihnachten, denn ausgerechnet vor Weihnachten war es bei Euch immer so, dass man sich 'gerade in diesen Jahre' überhaupt nichts leisten konnte und auf einen Gabentisch schon mal ganz verzichten musste. Zum Schluss gabs ja dann doch immer was, aber vorher gehörte es sich, dass man sich 'nichts erlauben durfte'. – Und das kann ich Dir sagen, die Sonderzuteilungen werden geholt, und Weihnachten wird auch gefeiert. Es wird so hübsch, und ich habe so viele Überraschungen für die Kinder, über die sie sich richtig freuen werden, ohne dass es groß was kostet. Aber es ist wie meistens. Entweder man hat nichts oder man hat es doppelt: Ich habe zufällig damals einen Hampelmann für Jürgen erwischt, und nun kommt Helga damit, dass sie morgen aus der Schule zwei so Kerle mitbringt. Nun hat er drei. Für die Puppenbettchen der drei Mädels habe ich drei Steppdecken angefertigt, richtig vornehm aus Blümchenkretonne. Ich bin so richtig ausgefüllt von Weihnachten, es ist doch die schönste Zeit im Jahr. –
Ich kann nicht weiterschreiben, an allen Ecken brennts.
Viele, viele liebe Küsse, mein lieber, lieber Mann!
Din Lött