Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. Dezember 1940
Bad Godesberg, den 20.12.40
Lieber, liebster Harald,
Nun bekommst Du sofort einen Brief. Eben kommt Deine neue Feldpostnummer. Vorgestern habe ich Dir, nachdem ich Deinen Brief bekam, schon einen langen geschickt, aber den stecke ich lieber nicht in den Kasten. Er ist zu traurig. Nun habe ich ja schon zwei Tage Zeit gehabt, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Du Weihnachten nicht da bist, aber es gelingt mir nicht. Ich bin so furchtbar traurig. Ich mache es natürlich für die Kinder schön, und es wird alles vorbereitet wie immer, aber es kommt mir wie ein Verrat an Dir vor, dass ich das alles ohne Dich machen soll. Und nun kann ich Dir noch nicht mal ein Paket schicken. Meine Weihnachtsgeschenke für Dich stehen nun hier herum.
Und dabei ist draußen die herrlichste Weihnachtslandschaft mit dickem Schnee und schöner Sonne. Und hinter dem Haus steht der Weihnachtsbaum, den ich so groß wie immer gekauft habe, weil ich dachte, Du kämst. Stattdessen kommen nur die Gedanken, und heute habe ich keinen Hoffnungsschimmer für die Zukunft.
Doch, doch, doch, ich habe zuerst mal den einen, dass Du recht bald Urlaub bekommst. Geht das Gesuch an die neue Stelle mit? Oder müssen wir es erneut einreichen? Ich war gestern sofort in Bonn bei Hauptmann Engels, der sich alle Mühe gegeben hat und zu den Stellen gelaufen ist. Ein Herr von Pichier, den Rang weiß ich nicht, will sofort, wenn es nötig ist und ich Deine neue Nummer weiß, die Eingabe von damals, die ich ja noch im Durchschlag hätte (Schicke sie mir bitte sofort, wenn Du meist, dass es nötig ist) befürwortend an die neue Stelle weiterleiten. Für Engels ist ja die Hauptsache, dass Du ihn vor dem 31. bekommst wegen der Eingaben. Und weißt Du überhaupt, dass es Arbeitsurlaub bei der Luftwaffe nicht gibt, nur bei der Armee?
Pappi, Du bekommst jetzt zuerst viele Küsse für die beiden Paketchen. Ich habe mich doll gefreut, dass Du so lieb an mich denkst. Und dass Du an einen Mokkalöffel gedacht hast. Und an die Püppchen für die Kinder!
Hast Du das Geld noch rechtzeitig bekommen? Und die beiden Briefe? Ich würde mich ja kannibalisch ärgern, wenn beides morgen oder übermorgen zurückkäme. Und dabei habe ich mich doch mit dem Geld beeilt, so schnell es ging.
So, jetzt küsse ich Dich erst mal. Deinen richtigen Brief schreibe ich heute abend, wenn alles ruhig ist. Jetzt ist zu viel Getriebe.
— Eben habe ich Jürgen besorgt. Ich bin jetzt viel fröhlicher. Ich habe mit ihm gerollzt und gelacht und dabei kam mir zum
Bewusstsein, dass er und alle Kinder ja ein Stück von Dir sind und dass ich Dir wirklich etwas Liebes tue, wenn ich ihnen das Weihnachtsfest so schön wie möglich mache. Bis eben war dieser Gedanke nur eine Theorie und alles in mir sträubte sich dagegen, jetzt empfine ic ihn und Du wirst ja in jedem Augenblick bei mir sein und alles werde ich ja mit Dir zusammen tun. Aber wehmütig ist mir doch zu Mut. Heute morgen beim Friseur konnte ich in der Illustrierten noch kein Bild von Urlaubern oder weihnachtsfeiernden Soldaten sehen, ohne dass mir das Heulen kam. Aber vielen geht es ja so.
Habt Ihr dort Radio? Wenn Hess wieder eine Ansprache hält und Du keinen Dienst hast, hören wir sie zusammen.
Deine Lotti.
Hein Schilling hat sich nach Deiner Adresse erkundigt. Ich habe sie ihm geschrieben.