Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. März 1943

den 24.3.43

Liebster, liebster, allerliebster Pappi!

Du hast mir wirklich eine große, eine riesengroße Freude mit der Einladung gemacht, und ich danke Dir von ganzem Herzen dafür. Ich habe den Abend in den Esspausen und auf dem Heimweg dauernd mit Dir gesprochen und Dir viel schönere Briefe geschrieben, als jetzt einer auf dem Papier steht. Vielen, vielen Dank. Und ich habe Dir noch von der geheimnisvollen Einladung geschrieben!

Frau Küster hat es aber auch reizend gemacht und hat sich, soweit es der Hochbetrieb heute abend zuließ, auch mir gewidmet. Es gab Suppe, in Butter gebratenes Fischfilet, Filetbeefsteak mit Champignons, Eis. Dazu zwei Glas Wein und eine Flasche Bier. Es war ganz wundervoll und ich habe Dich mir gegenüber sitzen sehen und habe Deine lachenden Augen gesehen, wie Du fragtest, ob die Überraschung gelungen sei. Nochmals vielen, vielen Dank, besonders dafür, dass man merkte, wie Du mir etwas Liebes antun wolltest.

Gegen neun bin ich dann nach Hause gegangen und als erstes mit meinem vollen Magen gegen eine Ecke am Hauseingang gerannt, denn es war stockdunkel und der Mond noch nicht aufgegangen. Aber dann habe ich mich so beschwingt, wie es die zwei Gläser Wein und die Flasche Bier erlaubten, in einer irren Finsternis nach Hause getastet, und nun sitze ich hier und schreibe und vermisse ganz doll, dass Du nicht hier bist, damit ich Dir so danke, wie es die ganze Stimmung erfordert. Ach, mein liebster Mann...

Was ich nicht verstehen kann, ist Deine Mutter. Sie findet die Idee albern und meint,

sie hätte sich über einen solchen Einfall ihres Mannes nicht freuen können und wäre eher pikiert über so eine dumme Idee gewesen, denn was solle eine Einladung, bei der der Gastgeber nicht dabei ist. - Ich habe versucht, ihr zu erklären, wie hübsch der Einfall ist, aber sie blieb immer dabei, dass sie kein Verständnis dafür hätte, so sehr sie es auch versuche. Wenn ihr das passiert sei, wäre sie wohl so enttäuscht gewesen, dass sie das Lokal verlassen hätte. Du siehst also, dass man bei Überraschungen selber Überraschungen erleben kann.

Ach, Pappi, und ich hatte mich so schön gemacht, hatte dein schwarzes Kleid angezogen und die dünnsten Strümpfe und mich so nett zurechtgemacht, wie es mir möglich war. Du hättest Deine Freude gehabt. Und nun gehe ich ins Bett, weil ich mit meiner Freude bei den strümpfestopfenden Omis kein richtiges Echo finde, und gebe statt Dir der Helga einen Kuss, die in Deinem Bett schläft. Ich werde sie wecken und ihr von dem schönen Abendessen erzählen, und Helga hat wahrscheinlich mehr Verständnis dafür. Ich brauche heute abend jemand, zu dem ich lieb bin.

Viele feste und lange Küsse!
Deine Lotti