Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 31. März 1943
den 31.3.43
Mein lieber Mann!
Nun sollst Du aber auch noch einen Brief ohne Rechnerei bekommen. Ursel sitzt neben mir und fragt: "Möchtest Du der Klaus sein?" und beantwortet die Frage selber: "Nee, weisste, weilste dann immer das Bett nassmachst."
Gestern abend waren wir alle wieder bei Frau Sprock. Ihr Mann wird in Südfrankreich ausgebildet. Gestern mittag sah ich den alten, aber sehr hübschen Film mit Luise Ullrich und Viktor de Kowa: ´Versprich mir nichts´.
Die Rabatte ist jetzt mit Blumen bepflanzt. Auf dem Steingartenbeet blüht es auch schon weiß. Es ist das Gewächs in der Mitte, das so unglaublich wuchert. Da es wieder vorhat, das ganze Beet zu überziehen, reiße ich nach der Blüte mindestens die Hälfte raus, weil es ohne Blüte zu unkrautmäßig wächste.
Sonntag abend war Fräulein Hessel zum Abendessen da und
vorgestern Fräulein Hunscheidt.
Nun ist ja eine Verfügung raus, dass alle alleinstehenden Personen die Zahl der von ihnen bewohnten Räume angeben müssen, zum Entsetzen vieler alter Damen. Aber dass diese Verfügung kommen musste, ist ja klar. Die armen Berliner! Die werden in diesem Jahr wohl noch manchen Angriff aushalten müssen, wobei mir einfällt: Ich habe bei Möckel ein sehr gutes Buch gekauft: Berlin. Erinnerung und Gegenwart, von Helene von Nostitz. Ich hatte vor, es Hansi zum Geburtstag zu schenken, aber ich finde es so schön, dass es jetzt in meinen Regalen bleibt. Überhaupt hat man manchmal Glück. Ich kam jetzt zufällig zu Palm, und da standen kleine Schultafeln mit Ständer. Ich habe mir sofort eine mitgenommen, für Ursel zum Geburtstag. Nun kann sie Schule spielen. Ebenso sah ich gestern bei Dreesbach hübsche Kämme in reizenden, gestickten Etuis. Da man heute dort Kämme holen muss, wo man sie sieht, habe ich das getan.
Eben fällt mir ein, dass ich an die Mu noch 300,- Mk. abgeben muss. Damit bin ich dann am 1. Juli fertig, und dann kann ich ja ab 1. August größere Zahlungen leisten.
Heute bin ich müde und nicht ganz auf der Höhe, aber ich habe ein nettes Gespräch über Bücher mit Fräulein Neuneier in Buchladen Linz gehabt. Sie ist so reizend, wie der Name blöd ist. Ich hätte Lust, auch mit ihr in Verbindung zu kommen. Und wie nett sind die Abende mit Frau Sprock, Stein und Frau Hillenbrand. Die Gespräche haben immer Niveau, auch wenn über Rezepte und Haushalt gesprochen wird. Es bleibt aber nicht dabei, sondern gleitet dann wieder unbemerkt in Gebiete, die uns vier interessieren, und so hat man, wenn man nach Hause geht, immer das schöne Gefühl eines gut verbrachten Abends.
Heute vor acht Tagen war die schöne Einladung. Dieser Abend wird auch in der Erinnerung haften bleiben
als etwas aus dem Alltag Herausgehendes. Hättest Du mir die Marken dazu geschickt, wäre das Ganze nicht halb so schön gewesen, denn erstens hätte ich sie wahrscheinlich im Haushalt verbraucht, wenn ich aber gegangen wäre, hätte ich die Omis mitnehmen müssen, und ich hätte mich in deren Gesellschaft nicht halb so, innerlich und äußerlich, auf den Abend vorbereitet. Ich danke Dir nochmal recht, recht herzlich.
Heute abend muss ich nun noch an Hansi schreiben, an Änne, die uns wieder 10 Pfund Erbsen geschickt hat, und an Tante Klara. Vielleicht tu ich es auch nicht und faulenze. Sehr vielleicht sogar.
Viele liebe Küsse! Deine
Lotti