Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 5. April 1943
den 5.4.43
Liebster Mann!
Mitten aus dem Trubel des Hausputzes ein paar Worte. Eben kam Deine Karte aus Jever, und ich bin genauso gespannt wie Du, was werden wird. Das Bild vom Marktplatz und dem Oldenburger Hof hat mich richtig heimatlich berührt.
Mit der Karte kam der Entscheid des Landratsamtes. Können wir nicht zufrieden sein? Ich werde nun so schnell wie möglich alle alten Schulden abzahlen. Glücklich bin ich, dass ich jetzt sorglos leben kann und meinen Verpflichtungen nachkommen kann. Ich komme mir richtig geborgen vor.
Gestern wollte ich mit den Kindern einen Sonntagsspaziergang machen. Am Rhein sahen wir den ersten Dampfer, setzten uns kurz entschlossen darauf und fuhren nach Unkel. Es war wunderschön, und Helga bekommt schon Freude an Naturstimmungen. Unkel gefiel ihr sehr. Von Nonnenwerth war sie begeistert. Sie drückte sich allerdings so aus: "Die Insel liegt so richtig harmlos im Wasser" Sie meinte damit das Idyllische, das Weltabgeschiedene, das sie sehr stark empfand. Den Kleinen gefiel der Traubensaft im Hotel Schulz am besten.
Gestern morgen war ich bei Ilse Düren. Sie hat noch keine Nachricht von Theo, hat aber diese Woche sämtliche Post, die sie an ihn
geschrieben hat, bis auf einen Brief zurückbekommen, mit dem Vermerk: Neue Adresse abwarten. Sie fürchtet jetzt das Allerschlimmste. Sobald sie etwas erfährt, will sie mir Bescheid geben. Sagen kann man dazu nichts, wir empfinden ja alle dasselbe. Es ist bloß jedes Mal wieder unfassbar, und man fragt nach der Gerechtigkeit, die dem einen ein solches Schicksal bereitet und einen anderen in irgendeiner Kantine dick und fett werden lässt.
In Eile tausend liebe Küsse,
Deine Lotti