Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 17. April 1943
den 17.4.43
Liebster Mann!
Das war schön und lieb, dass Du angerufen hast. Ich war so erstaunt, dass ich erst hinterher zum Freuen kam. Ich habe ja solche Sehnsucht nach Jever, aber erst kommt ja Ostern mit seinem Rummel, und im Mai will Lisbeth ihren Urlaub nehmen, und im Juni kommst Du hoffentlich schon. Aber ich finde, es wird auch wieder Zeit, dass Du kommst. -
Ihr bekommt ja wohl jeden Ort genannt, weil Godesberg auch erwähnt wurde? Die Luftmine ist Klufterstraße - In der Kumme niedergekommen. Es hat sehr viele Tote gegeben, höchstwahrscheinlich aus dem einen Grund, weil kaum einer im Keller war. Wen ich auch heute gefragt habe, jeder ist erst nach der Detonation in den Keller gegangen, und das kam in der Hauptsache wohl daher, dass der Alarm ertönte und darauf friedliche Mondnacht war. Der Flieger kam auch von Süden, so dass keine Flak schoss. Und diesem einzelnen Flugzeug traute wohl niemand viel zu, bis es dann den Knall gab. Der kippte dann
alle in den Keller. Man muss sich ja doch mit dem Gedanken vertraut machen, dass man von einem Tag zum anderen nicht weiß, ob man noch da ist.
Aber etwas Schöneres: Der Frühling ist so bezaubernd schön, wie es lange keinen mehr gegeben hat. Nun blüht der Flieder überall, und die Luft ist erfüllt von einem Wohlgeruch, wie ich ihn in dieser Stärke Jahre schon nicht mehr gespürt habe. Die Luft ist so warm und das Ganze so schön, dass einem die schönsten Goetheschen und Eichendorffschen Gedichte einfallen. Die Magnolien haben längst ausgeblüht, aber die Kastanien haben große Blätter und stecken schon, allerdings erst in der grünsten Knospe, ihre Kerzen auf. Aber in 10 Tagen spätestens sind sie soweit.
Wenn das Wetter so bleibt, feiern wir hoffentlich ein wunderschönes Osterfest. Pappi, einen schönen Tisch werde ich schon machen, bloß die roten Bänder existieren nicht mehr. Sie sind als Schleifen für Helga und
Heidi verbraucht worden. Aber er wird schön, der Tisch.
Montag wollen wir nun die elektrischen Sachen einpacken. Ob sie noch was wert sind, bezweifele ich ja, aber das musst Du sehen.
Ich habe ein reizendes Buch gelesen, das ich Dir am liebsten verschaffen möchte: Maestoso Austria, Die Geschichte eines Hengstes und zweier Menschen. Aber wirklich entzückend ist das Buch und es würde Dir große Freude machen. Fräulein Neumeier hat es mir empfohlen und sie tat recht daran.
Ach, Harald, ich bin so recht glücklich, bis auf den Umstand, dass Du nicht hier bist. Aber sonst glaube ich, werde ich auf diese Jahre, trotz des Krieges und aller Einschränkungen als auf meine sorgenden zurückblicken. Ich weiß Dich in Deutschland und habe keinen Kummer und keine Sorgen pekuniärer Art. Dazu wachsen die
Kinder gesund und kräftig wie junge Pflanzen um mich auf.. Jeden Tag kommt es mir zum Bewusstsein, wie schön das alles ist. Blos, Du müsstest hier sein oder wenigstens müsste wieder ein fester Termin in Aussicht sein, an dem Du kämst.
Lieber, ich habe Dich lieb, Dich und alle meine Kinder. Wie ist das schön.
Deine Lotti