Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 25. Juli 1943

den 25.7.43

Liebster Mann!

Du hast also das kleine Buch ´Ursula´ auch so hübsch gefunden und aus demselben Grund wie ich. Mir ging es wie Dir, ich fand vieles darin, was auf uns damals passte. Ich wollte es Dir damals nicht sagen, weil ich nicht wusste, ob ich allein so empfand, Dass Herolfsbad gleich Hersfeld ist, hatte ich auch gleich gemerkt. Ich hätte das Buch aus diesem Grunde sehr gerne. Kannst Du es dort besorgen? In der neuen Straße ist eine Buchhandlung, und ich meinte damals, die hätten es. Linz kann es nicht besorgen. Es ist sehr lange schon bestellt, kommt aber nie herein.

Ich denke sehr viel an Dich und immer lieb. Und abends, wenn ich im Bett liege, hänge ich schönen Träumen nach, bis ich einschlafe. Sie sind hübsch und sehnsuchtsvoll und weich, genauso, wie ich sie als junges Mädchen hatte. Mir fiel gestern dabei auf, dass sich der Ring darin schließt. Bis zu unserer Hochzeit gingen meine Gedanken romantischen Dingen nach. Nach der Hochzeit kam dann eine Zeit, wo ich absolut diesseitig war und Freude am Haushalt hatte und mir abends schon überlegte, was ich am nächsten Tag putzen oder neu richten sollte. Ich war in schöner Weise ganz ausgefüllt mit allen Dingen des täglichen Lebens. Dann kamen die traurigen Jahre, in denen ich so viel verarbeiten musste, - Du weißt ja - und in denen alles um den einen Punkt kreiste, so dass ich oft überlegte, wie es nur möglich gewesen war, dass ich so unbeschwert gelebt hatte. Da war es gut für uns, dass der Krieg gekommen war, denn ich war gerade da an einem Punkt angelangt, dass ich glaubte, nicht mehr länger so leben zu können. Du wirst ja vielleicht nicht viel davon gemerkt haben, aber erinnerst Du Dich, wie Du oft sagtest, Dir kann man aber auch keine Freude mehr machen. Immer bist Du so abwesend, so gleichgültig. - Und dann kam der Glaube an Dich wieder zurück, und alles wurde so schön wie am Anfang, und so wird´s wohl bleiben.

Wenn Du kannst, so mache doch hübsche Aufnahmen von Jever oder kaufe Postkarten. Ich würde mich sehr freuen. Auch Partien aus den Gässchen oder dem Markt, Du kannst das doch so schön) hätte ich gerne oder wie Pekols Autobus

an der Haltestelle hält oder irgendwelche Schnappschüsse, die typisch für unsere Zeit dort sind. Auch Carels bei den Enten oder Gesine hinter dem Haus beim Arbeiten. Vielleicht könntest Du mir so ein ganzes Buch schenken.

Hast Du nun Post von mir? Der Brief, der via Tante Klara ging, müsste doch eigentlich nun bei Dir sein, wenn die anderen nicht angekommen sind. Gestern kam eine Karte, die ich am 1. in Jever in den Kasten gesteckt hatte, hier an. Wie das mit den Postschecküberweisungen in Zukunft wird, weiß kein Mensch. Es sind höchstwahrscheinlich alle Belege mit verbrannt. Die ganze Postscheckgeschichte muss neu aufgebaut werden. Ich hatte am Tage meiner Rückkehr wie immer die Lebensversicherungsrate vom Postscheckkonto überwiesen, habe aber bis jetzt noch keine Belastung.

Gestern erzählte mir dann jemand, dass sie nacheinander zurückkommen ohne Vermerk. Die Rundfunkgebühren werden ab nächsten Monat wieder durch Postbote eingezogen. In der Zeitung stand aber, dass Nachteile in diesem Falle nicht erwachsen, wenn Zahlungen für Versicherungen nicht rechtzeitig eingehen, weil hier höhere Gewalt vorliegt.

Der Kölner Bahnhof ist noch nicht zu benutzen. Bahnsteig 5 ist für den Durchgangsverkehr, nicht zum Ein-und Aussteigen hergerichtet und im übrigen wird irgendwo zwischen Köln und Opladen eingestiegen. Täglich fahren hier noch Lastwagen mit Hausrat in großer Zahl über die Koblenzer Straße rheinaufwärts. Wenn das von Köln aus in alle Richtungen geschieht, wird ja wohl nicht mehr viel dort bleiben. Die Kölner dürfen nicht in Godesberg bleiben, sie müssen nach drei Wochen wieder weg. Für was Godesberg reserviert bleiben soll, wissen wir auch nicht, die Meinungen gehen da auseinander.

Deine Post bekomme ich pünktlich nach zwei Tagen, anscheinend wird Feldpost besser befördert wie andere. Wenn Du auch nichts von mir hörst, schreibe doch, ich schreibe auch jeden Tag.

Donnerstag wollen wir nun nach Berlin fahren. Mir graut vor den vollen Zügen. Mittwoch feiern wir noch Mutters Geburtstag.

Schaue Dir den Film ‘Romanze in Moll‘ an. Er ist gut in der Milieuschilderung. Die Handlung ist eben eine Romanze. Paul Dahlke ist der Kleinbürger, Marianne Hoppe seine Frau (in einer französischen Kleinstadt), Ferdinand Marian der berühmte Komponist, dem sie verfällt, und Siegfried Breuer der Freund des Komponisten aus der großen Welt, der sein Wissen um dem Ehebruch ausnützt und sie begehrt.

10000 liebe, sehr liebe Küsse, Deine Frau