Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10. August 1943
den 10.8.43
Liebster Mann!
Sieh doch bitte einmal nach, ob in Deiner Brieftasche noch Heidis und meine Fleischkarten sind. Ich finde sie nicht und habe sie zuletzt mit Bewusstsein im Hotel am Stettiner Bahnhof gesehen, als wir das Mittagessen bestellten. Es wäre ja schmerzlich, wenn wir sie vermissten.
Heute morgen habe ich Heidi wieder bei Fräulein Rath abgeliefert. Helga ist unzertrennlich von ihr und überstürzt sich in dem Bemühen, ihr alles, was für sie wichtig ist, auf einmal zu erzählen und zu zeigen. Jürgen war auch sehr glücklich, als er mich wieder hatte, aber er meinte dann doch, ich dürfte wieder zum Pappi reisen, aber nicht woanders hin. Klaus sagt ja nicht viel, er hält mich nur lieb. Übrigens ist seine Tafel schon kaputt, ein Junge hat sie ihm hingeschmissen.
Das Wetter ist reichlich kühl geworden, trotzdem fühlt Ursel den Drang, nur mit einem kleinen Höschen bekleidet herumzulaufen. Dabei hat sie Husten und Schnupfen. Ich habe nicht fertiggekriegt, dass sie sich etwas anzog. Nur habe ich ihr gesagt, dass sie zu Mittag keine Wurst bekommt, wenn sie nicht doch folgt. Ob sie sich nun für Bravsein entscheidet, weiß ich nicht, aber dann muss sie eben auf die von ihr heißgeliebte Wurst verzichten. (Ich sehe übrigens gerade, dass sie sich das Kleid angezogen hat.)
Ich lebe immer noch rückwärts in den schönen Tagen. Dies Geschenk war doch ein völlig unerwartetes, an das wir beim Abschied in Jever wahrhaftig nicht gedacht haben. Nun will ich noch einen Brief an Heuses schreiben. Wo mögen die Jungen sein? Ob sie untergekommen sind? Und ob ein Baby lange auf sich warten lässt? Wenn man so drauf wartet, klappts meistens nicht. Liebe Küsse, Deine Lotti