Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. Oktober 1943
den 20.10.43
Liebster Mann!
Heute ist ein Tag, an dem mir das Arbeiten nur halbe Freude macht. Vielleicht liegt es an dem nieseligen Wetter draußen. Heute nacht hatte ich einen sehr schönen Traum. Ich ging in die Stadt, und da waren alle Läden weihnachtlich geschmückt, und in allen Schaufenstern lagen Spielsachen. Ich ging in einen solchen Laden und fragte das Fräulein, ob man das alles kaufen könne. Das Fräulein sagte: Aber selbstverständlich, alles ist freigegeben, und ich habe überglücklich eingekauft: Puppenmöbel zuerst, dann eine Wiege für Helga, Malbücher, Tiere, alles mögliche. Ich hatte einen ganzen Korb voll und weiß noch, dass ich dabei überlegte, ob das alles nicht ein bisschen viel und teuer für mich wäre. Ich schob aber sofort die Bedenken beiseite, weil ich mir sagte, diese Gelegenheit, endlich nach Jahren wieder richtig für die Kinder einkaufen zu können, durfte ich mir nicht entgehen lassen. So spuckt also der Krieg und sein drum und dran bis in den Traum.
Eben kommen die Gören aus dem Kindergarten. Ich zerbreche mir doch sehr den Kopf, wie ich eine Trennung von Jungens- und Mädelszimmer durchführe. Es wird langsam Zeit.
Jetzt nach Tisch haben wir schon wieder Alarm. Die erste Welle ist vorbei, sie kam aus Richtung Euskirchen und flog schräg über Godesberg weg. Man sah sie nicht, weil die Wolken so tief hingen, aber die Flak schoss heftig. Ich habe nun vor, nach Tisch zu Mutter zu gehen und anschließend in die Stadt.
Ach, Paps, ich weiss weiter nichts. Der Alarm ist auch vorbei, ich gehe in die Stadt und zur Omi und beschliesse den Tag heute abend wie immer. Innerlich warte ich schon auf den zweitägigen Urlaub.
Din Lött