Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 7. Dezember 1943
den 7.12.43
Liebster Mann!
Lohnt es sich eigentlich, Briefe zu schreiben? Ich habe das Gefühl, sie kommen doch nicht an, genau so, wie ich auch keinen von Deinen sehe. Lisbeth bekam von ihrem Hennefer Pastor gestern eine Karte, der ihr vor dreieinhalb Wochen zum Namenstag gratuliert hat!!!
Ich war eben wieder in der Stadt, Ausbeute gleich null bis auf ein Paar Stiefel für Heidi, die mir Herr Dürnbaum persönlich gab, nachdem mir die Verkäuferin versichert hatte, dass nichts dergleichen vorhanden wäre. Aber ich hatte vorher mit ihm telefoniert. Pech habe ich mit Stopfgarn gehabt, das nirgendwo zu kriegen ist.
Es scheint Schnee zu geben. Es liegt so eine dünne Kälte in der Luft, die das vermuten lässt. Ich möchte mich heute abend in den Sessel am Ofen setzen und mindestens zwei Gläser Tee mit Rum trinken, ehe ich in mein kaltes Bett krieche. Hu, ist das kalt. Aber ich decke mir zu meinen Decken noch Dein Plumeau über und ziehe z.T. Deine Steppdecke noch darüber, und dann schlafe ich herrlich.
Hast Du meinen Brief bekommen, in dem ich Dich bat, Stecknadeln und Streichhölzer mitzubringen? Das wäre ja ein Weihnachtsgeschenk, des fünften Kriegsjahres würdig.
Helga hat immer noch etwas Ausschlag am Mund, und gestern hat ihr Lehrer Himmelreich gesagt, sie dürfe erst dann wieder in die Schule, wenn er ganz verschwunden sei. Sie ist selig. Ich weniger. Nun ist sie mit dem Hund von Fräulein Hunscheidt in die Stadt gezogen, um die Schuhe abzuholen.
Das Zimmer ist himmlisch still und warm. Den Ofen habe ich nochmal tüchtig angefacht, dass er knackt, und aus dem dämmrigen Licht leuchten die bunten und goldbeschrifteten Bücherrücken. So eine halbe Stunde ist herrlich.
Schreibe so früh wie möglich, wann Du in den Weihnachtstagen kommst. Die Post wird doch wohl erst nach Dir eintreffen. Das Jungvolk trifft nacheinander ein. Ich höre auf. 1000000 liebe Küsse. 1
Deine Lotti