Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 12. Oktober 1940
Reinsehlen, den 12.10.1940
Liebes Lottenkind.
Du findest in diesem Brief 2 Bilder. Das 1. stellt unsere Baracke dar. Der Pfeil zeigt auf die Fenster unsere Bude. Das Dach ist Tarnung. Das 2. - na siehst ja. Der Unteroffizier in der Hütte ist unser gutes Stück - das beste Pferd im Stall. Der Fotograf brachte trotz meiner heftigen Einspruchs die klassische Aufstellung fest. Ich konnte nur eben noch verhindern, daß 2 sich vorne vor legen sollten, wie Vorgartenzwerge. Lotti, schicke mir doch bitte meinen Fotoapparat. Ich kann hier feine Aufnahmen machen. Der Mann links neben mir ist ein feiner Kerl. Hildebrand heißt er. Er ist früherer katholischer Theolog und jetzt Chemiker. So nun kannst Du dir auch vorstellen, wie ich aussehe. Unsere Uniform ist luftwaffenblau mit gelben Spiegeln und Tressen. Das Bild ist nach der Vereidigung gemacht in unsere Ausgehuniform. Unsere Exerzieruniform ist grau in grau, ohne Spiegel und Litzen, in ihr sehen wir aus wie Sträflinge. Wir laufen jetzt auf hohen Touren. 6-7 Stunden strammes Exerzieren, der Nebenunterricht in 1000 Sachen, Singen und putzen, - putzen und nochmals putzen. Jedes Rest in Farbe wird gewissenhaft von Tischen und
Schemeln runtergeschrubbt mit Sand und der ist in die Hülle und Fülle da. Der Sand ist auch beständig in unserer Bude und wenn auch 4-5 Mal den Tag gekehrt und geputzt wird, Sand ist überall. Knochen und Muskeln sind z.Z. ein Matsch, ich kann kaum schreiben. Morgen am Sonntag will ich die Geschäftskorrespondenz erledigen. Hoffentlich geht ein Teil unserer Budenbelegschaft raus, damit etwas Ruhe eintritt. Du weist (!) doch wie mich sowas stört. Ich kann keinen vernünftigen Gedanken fassen. Ich habe nun endlich auch von Mutter einen Brief bekommen. Ich hatte mir richtige Sorgen gemacht. Es geht jetzt ins Bett.
Herzlichste Grüße an alle
Gib den süßen Kinderchen einen Kuß
und Dich mein liebes gutes Frauchen
nehme ich in Gedanken herzlich in
den Arm und gebe Dir einen langen Kuß.
Dein Harald