Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 24. November 1940
24.11.40
Mein süßes Lottenkind,
vor einer Woche war ich bei Dir, ich genieße noch immer die schönen Stunden und ich denke heute vor 8 Tagen taten wir gerade das oder jenes. Es waren doch schön, mein liebes Kind, wenn es auch verdammt kurz war.
Deine Briefe haben mich sehr gefreut, hab herzlichen Dank dafür. Diese Woche war hart. Morgen ist Besichtigung und Du kannst Dir wohl denken, wie das bei Preußens vorbereitet wird. Es kommt irgend ein General, dem wir in allen Gangarten vorgeführt werden sollen. Wir kommen aus den Apellen (!) garnicht mehr raus. Wenn alles klappt, und es klappt bestimmt, sind wir keine Rekruten mehr sondern richtige Soldaten.
Gleichzeitig bereitet sich der Aufbruch vor. Gestern sind wir eingeteilt worden. Reiseziel streng geheim! Es schwirren 1000 Parolen umher. Ich weiß, was richtig ist. Die wahrscheinlichste Lesart ist Eindhoven (Holland). Mittwoch oder Donnerstag geht es hier ab. Schicke also bitte keine Post mehr hierher. Sie würden mir zwar nachgeschickt, käme aber mit großer Verspätung an. Warte daher, bis ich mich melde. Donnerstag hatten wir in Schneverdingen Abschiedsabend für unsere Korporalschaft. Ich musste den Hauspoeten aus spielen und hatte solchen Erfolg, dass man mir die Bierzeitung für die ganze Kompanie angehängt hat. So sitze ich nun schon Tage jede freie Minute und schmiede Reime, verfasse Anzeigen und mache in Stimmung. Dienstagabend steigt das Fest. Vom Hauptmann angefangen sind alle durch den Kakao gezogen.
Morgen geht nun endlich ein Paket hier ab. Liebes Lottenkind, sind die 40 Punkte bei Gallep noch da? Ich möchte gern ein Fliegerhemd mit Kragen haben. Vielleicht kann es Lebrecht besorgen (Gr 40, Kragen 41) Frag bitte mal nach. Vielleicht wäre das was zu Weihnachten. Ich kann es ja auch immer im Zivilleben auftragen. Die Uniform sieht mit Hemd viel besser aus.
Heute ist für uns kein Sonntag, wir merken wenigstens nichts davon. Ich denke nur, wie Ihr jetzt gemütlich bei dem Schweinewetter beisammen sitzt. Wenn keine Urlaubssperre wäre, hätte ich mir ernstlich überlegt, ob ich nicht nochmals gekommen wäre. Es wäre aber wahrscheinlich zu teuer geworden.
Ich küsse Dich herzlich und bitte Dich, den Kinderchen vom Papi einen schönen Kuß zu geben und die Omis und Anneliese zu grüßen.
Dein oller Harald