Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 4. Dezember 1940
4.12.40
Mein liebes Lottenkind,
heute geht es mir zum ersten Mal wieder besser. Meine ganze Stirnhöhle war vereitert und ich konnte vor Schmerzen kaum einen Gedanken fassen. Ich habe Dir von hier heute ein Päckchen geschickt. Es sind Weihnachtssachen für Dich. 3 Paar Strümpfe, ½ Pfund Kakao und Schokolade. Es ist hier sehr schwer an etwas zu kommen, weil die Sachen auch rationiert sind oder auf Karten, die wir nicht haben, abgegeben werden. Die markenfreien Sachen sind sehr teuer und ich habe leider nicht genug Geld und Zeit um die Jagd nach dem
Glück mit zu machen. Aber was ich irgend machen kann, wird geschehen. Es freut mich so sehr, dass ich mal wieder ein bisschen für euch sorgen kann. Hoffentlich passen Dir die Strümpfe, sie kosten 3,50 Mk pro Paar. Sind sie das wert?
Wir sitzen immer noch hier und sind noch nicht aufgeteilt. Unsere Gruppe aus Reinsehlen ist leider verstreut. Die Kameraden werden Dir ihre neuen Anschriften mitteilen, sammele sie und schicke sie mir, wenn Du meine neue Anschrift weist (!).
Der Gestapo habe ich geschrieben, dass wir von der Beschlagnahme Kenntnis genommen haben. Die Verwaltung wird vor erst von uns weitergeführt werden müssen. Die Gestapo wird
Dir schreiben, ob weiter Steuern bezahlt werden müssen. Schreibe bitte sofort an Theis, ob er von der (unleserlich) etwas gehört hat, ob er eine Ablehnung erhalten hat und ob er noch Interesse an dem Kauf hat.Nach dem Schreiben der Gestapo hat diese kein Interesse an dem Haus sondern nur an dem Geld. Es kann daher sein, dass die Gestapo die Genehmigung durchdrückt. Die Rechnung (unleserlich) kannst du, glaube ich nicht bezahlen, da die Arbeiten nicht von Weil oder mir, sondern von Theis bestellt wurden. Arbeiten, die wir bestellt haben, müssen wir auch bezahlen.
Mein Lotting, ich hungere so nach Post von Dir. Schreibe ruhig weiter an meine Anschrift. Ich weiß noch garnicht, wann
wir hier wegkommen. Wir haben es hier auch recht gut, so daß ich mich garnicht wegsehne. Wenn ich wieder ausgehen kann, werde ich es mir gut ansehen. Heute war ich im Kolonialmuseum, dass unserer Kaserne gegenüber liegt. Es hat keinen allzu großen Eindrücke hinterlassen, weil alles ohne zwingende Übersicht zusammengeschleppt ist. Kannst Du irgend einen Schinken (=Buch)1000 Worte holländisch auftreiben, aus dem man sich die nötigsten Ausdrücke ausknobeln kann? Die Verständigung in den Geschäften ist doch manchmal sehr schwierig. Mit der Lebensvers. habe ich doch seinerzeit an Silbermann geschrieben. Zahle nicht sondern schreibe. Lass Dir von Künz ein schriftliches Angebot für das Haus Rheinstraße geben, damit ich das Weihnachten vorfinde. Ich will versuchen Weihnachten ein paar Tage Urlaub mehr zu bekommen, damit ich Weil und Engels erledigen kann.
Herzlichste Grüße und einen (unleserlich) Kuß von deinem Mann