Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 12. Dezember 1940

A., den 12. XII.40

Mein liebes Lottenkind,

eben kommt Dein entzückender Brief vom 9. 12. der am 10. 12. abgestempelt ist. Es ist wirklich rührend, dass Du mir bei all deiner Arbeit und Sorge so fleißig schreibst. Von irgendwelchen Unterstützungen meines Urlaubsgesuchs durch Bonn habe ich bisher noch nichts gemerkt. Im vorkommenden Falle musst Du folgendes wissen: ich gehöre der Stabskompanie an, liege in der Oranje- Nassaukaserne unser Spieß = Hauptfeldwebel heißt Vincentini. Nun taucht auch noch ein brennendes Problem auf. Wenn ich Sonderurlaub bekomme, muss ich die Fahrt selbst bezahlen. Ich habe nun auf schwierigsten Weg ein Pfund Kaffee und ein paar andere Kleinigkeiten zu Weihnachten beschafft und habe infolgedessen kein Geld mehr. Frag doch mal ob Mutter nicht sofort 20-30 Mk schicken kann, sonst komme ich hier garnicht weg.

Von Hänschen bekam ich heute ein sehr liebes Weihnachtspaket mit Gebäck und einem Büchlein. Sie hat wirklich eine reizende Art zu schenken.

Viele Kameraden hier sind aus D´dorf. Sie bekommen jetzt alle Briefe mit Schilderungen des großen Luftangriffs. Die Altstadt scheint ja sehr mitgenommen zu sein. Die Londoner haben ja die Quittung auch promt (!) bekommen. Hier ist endlich mal anständiges Wetter. Bisher hatten wir nur Nebel und Fisselregen. In welchem Hotel war den Frau Schubert „Poort du Muiden(?)“? oder so. Unsere Kaserne liegt hier auch am Kolonial-

Seltsamerweise habe ich von Geßlers und von Lenni noch garnichts gehört. Besonders von Lenni wundert mich das sehr. Aber ich weiß ja, wie ich das früher selbst gemacht habe.

Hier werden täglich Soldaten beerdigt, die nachts besoffen in die Grachten fallen oder vielleicht hineingestoßen werden. Die Grachten sind unbegreiflicher Weise nicht durch Geländer geschützt. Bei der Verdunkelung ist es daher sehr gefährlich. Ich gehe deshalb gar nicht im Dunkeln aus.

Ach Lotting, wie würde ich mich freuen, wenn ich ein paar Tage bei Dir sein könnte.

Grüße alle recht herzlich und danke Mutter für ihren lieben Brief und der Omi Hechtle für ihre l. Zeilen.

Dich aber nehme ich in den Arm und drücke Dich schrecklich fest ab. Einen langen, langen Kuss   bekommst Du ebenfalls

Dein Soldat