Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 6. Januar 1941

Schiphol, den 6.I.41

Mein liebes Lottenkind,

Ach wie weit liegen die schönen Stunden des Urlaubs schon zurück und dabei sind erst wenige Tage die ich wieder im Dienst bin. Des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr macht diesmal seltsame Sprünge. Ach, liebes Kind, ich sehe Dich noch auf dem Kölner Bahnhof langsam im Dunkel verschwinden. Wenn ich auch sagte, dass ich diesmal leichter wegginge, so war dieser Moment doch schwer genug.

Der Zug war aber tatsächlich ungeheizt und als wir gegen 3 Uhr nachts in Amsterdam ankamen, waren wir alle vollkommen steif gefroren. Jetzt kam die erste Überraschung. Wir bekamen vom Bahnhofsoffizier nicht nur den benötigten Stempel über die 300-minütige Zugverspätung sondern auchHotelzimmer angewiesen und zwar im Gran Hotel Viktoria. Wir machten den

Offizier darauf aufmerksam, dass bereits in 3 Stunden unser Zug nach Alkmar weiterginge. Dann nehmen sie eben den nächst „späteren Zug“, sagte er . So fuhren wir denn im Lift auf unsere herrlichen Zimmer in allem Komfort und schliefen auf Schlaraffia und wurden durch Zimmertelefon geweckt. Wenn man das einem Lanzer (!) Aus dem Weltkrieg erzählt, setzt sich der auf den – Stuhl. So kamen wir denn etwa um 11 Uhr in Bergen an, wo sich meine Kameraden schon richtig Sorge gemacht hatten. Kaum hatte ich alles schön ausgepackt, als ich zum Spieß gerufen wurde. Versetzung nach Schiphol zum Stab des Jafü Holland (Jafü= Jagdführer). Ich werde mich mit Händen und Füßen, aber es half nichts. So musste ich denn mein Krämchen wieder packen und am kommenden Morgen in einem offenen LKW. Über Amsterdam nach Schiphol fahren. Wenn man von Amsterdam auf der Karte einen Strich nach Leiden 

zieht, so liegt Schiphol etwa 1/3 des Weges nach Leiden. Schiphol ist der Flughafen von Amsterdam. Es ist sehr interessant hier und ich brauche den Tausch an sich nicht zu bereuen, nur der Abschied von den Kameraden, vor allem von Hildebrandt waren nicht leicht. Wir hatten uns doch sehr aneinander gewöhnt und haben uns viel gegenseitig gegeben.

Von Reinsehlen aus muss man mir eine prima Beurteilung gegeben haben, dass ich hier zum Stab gekommen bin. Meine Tätigkeit ist sehr interessant und ich lerne viel und begierig. Ich bin jetzt mitten drin im Krieg. Während ich hier auf dem Gefechtsstand, zittert die ganze Bude.

Denn etwa 500 m entfernt, steht eine 10,5 Flackbatterie (!). Von meinem Arbeitszimmer sehe ich auf den Flugplatz, wo dauernd „Betrieb“ ist. Ich bin der einzige Soldat hier sonst alles Unteroffiziere und Feldwebel und Offiziere. Auf meiner Bude (12 Mann) liegen lauter „Aktive“ ganz junge Kerlchen, aber fix und nett.

Die Arbeit ist sehr reichlich, da alles im Aufbau begriffen ist, daher wird es in den nächsten 4 Wochen mit Urlaub wohl nichts werden. Dann wird alles laufen, sodaß ich Urla einreichen kann. Mein Vorgesetzter ist Major Mix (nicht von Mix). Er ist Oberbürgermeister von Wiesbaden und Jagdführer Holland. Außerdem haben wir einen Oberleutnant „Prinz Lippe“ also ein ganz feudaler Laden.

Eine Schweinerei ist es mit meiner Feldpostnummer. Ich habe noch immer keine. Schicke aber bitte Post bis auf weiteres an L 08245 Lg.P. Amsterdam über Bentheim. Es ist die Nummer meiner Staffelkameraden, die mir die Post dann aushändigen. Wir werden nach einiger Zeit, von hier wieder nach Bergen kommen, da der Stab dorthin verlegt wird.

Nun sitze ich auf eine Schreibstube – und komme nicht zum Schreiben, wenigstens nicht an Dich. Ist das nicht paradox. Es grüßt und küsst dich herzlich

Dein Harald

 

Meine Post von Dir fährt nun wohl durch ganz Holland hinter mir her. Ich werde deshalb wohl lange warten müssen.