Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 31. Januar 1941
Sch., den 31.I. 41
Mein liebes Frauchen,
nun ist auch dieser Tag fast vor bei. Es war ein heller, sonniger Tag mit klinghartem Frost und ich habe mich den ganzen Vormittag bei Amsterdam herumgetrieben. Beim Feldgericht handelte es sich tatsächlich um die dusselige Sache Schmitz- Dr. Aretz. Deswegen laufen sie nun durch halb Holland hinter mir her. Es hat aber doch etwas Gutes gehabt, denn ich hatte diesen Vormittag wenigstens einigermaßen für mich und für Dich. Ich habe ganz still in einem leeren Kaffee (!) Kaffee getrunken und still an Dich gedacht. Dazu kam Dein lieber Brief, den ich heute nach meiner Rückkehr hier vorfand. Ist es nicht seltsam, dass wir so ungefähr zu diesem Tag die gleichen Gedanken hatten. Das 9. und das 10. und das 25. Ehejahr werden uns nur noch fester aneinanderbinden, glaubst Du nicht auch. Trotz der schmerzlichen Trennung bin ich an sich ganz ruhig im Gedanken an Dich. Du stehst so nahe und lebendig vor mir, dass ich es manchmal gar nicht begreife, dass beinahe 300 km zwischen uns liegen.
Den nächsten Hochzeitstag verdrücken wir uns aber und feiern ihn ganz für uns, wenn wir noch leben und gesund sind. Im Gedanken an Hans Schultz muss man das ja sagen – Es es tut mir ja doch sehr leid. Schreibe mir nun gleich, was der Onkel Doktor zu den Kindern gesagt hat. Ich mache mir doch Sorgen. Mit dem Urlaubsgesuch muss es jetzt schnell gehen, damit unsere Verlegung nach Bergen nicht dazwischen kommt, sonst
dauert es mindestens 14 Tage länger. Mit der Umsatzsteuererklärung kann ich hier ja auch nichts anfangen. Ich schicke sie Dir daher zurück. Schreibe aber bitte der Steuerbehörde, dass die Erklärungen erst abgegeben werden können wenn ich auf Urlaub bin.
Ernst Hildebrandt rief heute hier an und bestellte mir Deine und der Kinder Grüße. Es war sehr lieb von ihm, dass er angerufen hat. Er sehnte sich sehr nach mir, da ich ihm über vieles, was ihm schwer fiel, hinweggeholfen habe.
Dein Besuch bei Gudrun war ja originel(!). Mich hätte sie wohl doch nicht so empfangen. Ich schätze sie auch sehr. Vor allem ihre Großzügigkeit und ihre Offenheit, die den anderen gerade auf die Nerven geht. Werner Söhl hat mir auch geschrieben. Er ist ja Obergefreiter und ich habe meinen ersten Brief von hier an den Soldaten Söhl gerichtet. Noch ein Malheur. Jetzt (?) müsste jetzt eigentlich zehn Tage in den Bau.
Ach Lotti, ich möchte Dich heute mit Geschenken einfach überschütten, aber ich bin hier eine arme Laus. Aber eine kleine Freude kann ich Dir vielleicht doch machen.
1000 Küsse
Dein Harald
(Links auf dem Blatt Zeichnungen: ein Flieger, ein Luftballon, eine eine Häuserzeile, vermutlich Amsterdam:)
Zeichnen kann ich doch nicht!