Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 19. April 1941
B. den 19.4.41
Mein süßes Lottenkind,
Gestern bekam ich deinen Deinen lieben Brief vom 15.. Leider konnte ich nicht gleich schreiben, da ich für einen großen Gesamtappell meine Brocken in Ordnung bringen musste. Aber ich habe schon lange keinen Brief mehr bekommen, der so ausgeglichen war und der soviel Behaglichkeit atmete wie gerade dieser.
Eben kommt auch dein Kurzbriefe vom 17. März (muß muss wohl heißen 17. 4.) Ja es ist schon so, ich habe Ostern nicht geschrieben. Ostern hat das Gefühl, als müsste man ein recht schönes Fest feiern. Wenn man nun stattdessen Spätdienst hat, wenn es kalt, stürmisch und regnerisch ist und wenn man obendrein keine Post bekommt, dann ist man in einer Stimmung, in der man am Besten keine Briefe schreibt.
Daß die 500 Eier endlich da sind, ist ja famos. Kaufe aber nur nicht die ganzen Schäfferbände auf einen Sitz, sondern hübsch nacheinander, wie ich sie anfordere. Ich bin ja kein Student, der den ganzen Tag arbeiten kann, ich habe hier ja schließlich auch sonst noch dies und jenes zu tun. Es wird aber auch auf einen Sitz zu teuer.
Hier geht seit einigen Tagen hartnäckig das Gerücht Zara Leander sei erschossen. Hast Du was gehört. Sie soll über Schweden Spionage getrieben haben.
Ich habe gestern den Ball, einige Bonbons und Pralinen in einem Holzkästchen, dass mir ein Kamerad, der Schreiner ist machte abgeschickt. Es sind auch einige Puddingpulver drin. Mit den Puddingpulvern das wird auch bald aus sein. Die Geschäfte verlangen jetzt Nährmittelmarken dafür. Ich habe noch einige und ½ Pfund Butter davon mache ich heute ein Paket.
Ich habe auch an Aug. Herkenrath ein Kistchen Zigarillos geschickt. Ich kann wahrscheinlich für Holtmann ein Paar Stiefel bekommen, habe aber nicht genug Geld sie zu bezahlen. Sie werden etwa 18 Gulden kosten.
Das Schicken für fremde Leute hat übrigens noch einen großen Nachteil, wie ich jetzt bei einem Kameraden erlebte. Er hatte auf den Wunsch von Bekannten hier in Holland etwas gekauft und abgeschickt, das Paket ist aber nicht angekommen. Nun wollen ihm die Leute das Geld nicht schicken und wenn sie es vielleicht doch tun dann bleibt doch immer ein Verdacht. Wenn Du mir Geld für Holtmanns Schuhe schicken kannst, dann werde ich die Schuhe einzeln schicken. 2 Pakete werden ja nicht verloren gehen.
Die Gerüchte, daß wir hier wegsollen sind wieder verstummt. Es wird aber wohl nichts werden. Ich hätte nichts dagegen in Bulgarien oder Griechenland eingesetzt zu werden.
Von einer Abrede mit Frau Klein, daß sie Reparaturen von der Miete abziehen könne, ist mir nichts bekannt. Solche Verabredungen bestanden bei Witterschein, Flöck und Gerhards, die Schönheitsreparaturen an der Miete kürzen konnten bzw. entsprechende Zeit frei wohnten. Ich habe solche Zusagen aber nur mit Zustimmung von R. Und M. Gemacht und dann lag die Summe immer von vornherein fest. Was Frau Klein behauptet ist also Unsinn. Ohne genaue Kenntnis der Summe und ohne Genehmigung hätte ich es nie getan. Warum kommt sie denn erst jetzt damit heraus. Also Unsinn.
Heiners Brief lege ich wieder bei. Er ist ein famoser Junge, und wir müssen so sehr wir können, ihm den Rücken stärken, deshalb bitte ich Dich, ihm zu antworten.
Wie denkst Du Dir die Sache mit dem Sekretär von Tante Berta. Ich bin nicht ganz schlau draus geworden. Selbstverständlich möchte ich ihn gern haben. Du willst ihn Tante Klara abkaufen, auch zu Lebzeiten.
Mit Deinen Berichten vom in der Sonne sitzen, vom grünen Schimmer der Bäume, von Pfirsich und Kirschblüten haben mich richtig neidisch gemacht. Nach 2 schönen Tagen ist es hier schon wieder alle mit dem Frühling. Es stürmt wie toll, ist kalt und regnet, daß man froh ist, daß man in der Bude sitzen kann. Von Frühling und Baumblüte gar keine Spur.
Man ist augenblicklich dabei, unseren Flugplatz mit einem schweren Stacheldrahtverhau zu umzäunten. Kein Mensch weiß, was das soll. Unheimliche Mengen Draht werden verquanzt, von dem wir doch wirklich keinen Überfluss haben.
Ich lese im Augenblick eine kl. Novellensammlung in Reclam von Knut Hamsun benannt „Frauensieg“. Ich lege Dir das Heftchen im nächsten Brief bei. Die Novellen sind grausig und z. T. Sogar unappetitlich!
Es war ein Glück, dass ich Deinen Osterbrief erst einige Tage nach Ostern bekam, denn ich habe mich über Mutters Verhalten so geärgert, dass ich beinahe zersprungen bin und das hätte sich Ostern, wo ich ohnehin in mieser Laune war, gefährlich auswirken können. Wenn Mutter so weiter macht, wird sie mich bestimmt verlieren, denn wenn ich gezwungen werde mich zu entscheiden, gibt es keinen Augenblick Überlegung. Das Beste wäre, sie reiste ab. Hat sich in dieser Sache noch nichts getan.
Ich habe schon lange von Hansi nichts mehr gehört, geht es ihr gut. Wo wohnt sie jetzt? Ich habe Sorge daß ich ihr Osterpaket vielleicht an die falsche Anschrift geschickt habe, das wäre doch jammerschade. Thea ruht sich ja scheinbar gründlich aus. Hat Hans noch mal geschrieben und setzt sich die Besserung fort? Wollen Schultzens nicht auf der Rückreise mal bei uns Station machen? Dann könnte auch die Frage Deines Sommerbesuches gesprochen werden.
Nach den Attacken zu Ostern war der Termin nicht mehr hier. Trotzdem hatten wir einen traurigen Verlust. Anfang der Woche kam als neuer Flugzeugführer ein junger Oberfähnrich zu uns. Jetzt liegt er schon im „Bach“. Die Seenotflugzeuge konnten ihn nicht finden.
Über das Blümchen aus dem Steingarten habe ich mich sehr gefreut. Blühen auch schon farbige? Und welche Farben sind vertreten. Sieht der Steingarten nicht noch ein bisschen kahl aus? Ich würde ihn mir gerne mal ansehen.
Wenn es jetzt Sommer wird und alle Leute wieder mehr Wert auf ihre Gärten legen, müssen wir unseren Garten täglich ausrechen, damit er gepflegt aussieht. Wie wäre es, wenn man das Helga zur Pflicht machte. Immer schnell vor dem Abendessen. Es ist ja in 10 Minuten gemacht. Man müsste es ihr natürlich genau zeigen und dann doch noch achtgeben.
So nun bekommst Du und die Kinder noch einen herzlichen und langen Kuss von Deinem Mann.