Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 21. Mai 1941
Bergen, den 21.5.41
Liebes Lottenkind,
Nun hast Du ein paar Tage nichts von mir gehört. Ich fühlte mich garnicht wohl und habe meinen Dienst nur mit größter Anstrengung erledigen können. Das Herz ist scheinbar nicht ganz intakt, es ist manchmal doch ein bißchen viel der lange Dienst und der wenige Schlaf.. Aber andere (siehe Charly) müssen ja noch ganz anders ran. Es ist jetzt auch wieder etwas besser, nachdem ich mich am gestrigen freien Nachmittag ins Bett gelegt habe. Daß fast jeden Tag so ein lieber und gestern sogar ein sehr langer Brief ankam war mir eine rechte Freude und Erfrischung. Hab herzlichen Dank, Du Liebe. Ich konnte aber nicht schreiben. Ich war einfach nicht fähig dazu, ich habe leider auch nicht für mich arbeiten können.
Du hast ja scheinbar den Muttertag schon Samstag gefeiert. Hat Beitin, der Dussel, den Strauß denn auch schon Samstag geschickt?
So und nun habe ich heute schon ein Geburtstagsgeschenk für Dich. Ich bin mir bewußt, daß es schöner wäre, wenn es am Geburtstag als Überraschung auf Deinen Tisch lege, aber ich habe hier keinen Platz dafür. Es ist ein Sommer Kleiderstoff, 3,50 m lang und 90 cm breit. Hoffentlich macht er in Dir Freude sonst kannst du ihn verkaufen, frage dann aber erst nach dem Preis. Ich kann hier noch einige Sommerkleiderstoffe (Seide) bekommen. Wenn jemand Bekanntes welchen haben will, soll er mir Geld schicken. Die Stoffe kosten etwa 15 Gulden = 20 Mk. Es muss aber schnell gehen, sonst sind alle weg. Kostümstoffe sind teurer, sie kosten 40-50 Gulden.
Deine Kindergeschichten sind herrlich. Erzähle mir nur immer fleißig von ihnen. Ich werde nicht müde es zu lesen. Hast Du am Sonntag im Wunschkonzert den Vortrag: „ein Vater sieht seinen Sohn“ gehört. Es war sehr fein und ich hatte einen Kloß im Hals und konnte ihn nicht los werden.
Hier war vor einigen Tagen eine Frontbuchhandlung, da habe ich mir aus Reclam von T. T. A. Hoffmann „Der goldene Topf“ gekauft und ihn in mich hineingewürgt. Er ist aber unverständlich. Es liegt mir noch im Magen. Versuch Dus mal. Wilhelm Lichtschlag hat mich verführt, ihn zu kaufen und lobte ihn in allen Tonarten. Ich habe für Romantik wirklich einen Nerv, aber was zu viel ist, ist zu viel. Ich habe einige meiner Aufnahmen aus Alkmaar vergrößern lassen. Sie sind sehr schön geworden.
Die Post geht ab. 1000 Küsse Dein Harald