Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 3. Juni 1941
Bergen, den 3.6.41
Mein liebes Geburtstagskind,
Zuerst bekommst Du einen recht lieben und innigen Kuß. Ich würde ihn Dir ja sooo gerne wirklich geben, aber wie will (ich) das machen. Ich möchte Dich heute so gerne richtig verwöhnen und Dir den Tag so schön, wie nur irgend möglich machen. Ich kann es nicht, aber ich will wenigstens in Gedanken recht lieb und nahe bei Dir sein. Ach Lotting, wie blass ist das alles gegen das, was ich empfinde und nicht schreiben kann, weil es albern klingen würde aus der Feder eines 38 jährigen.
Wie Du ja inzwischen erfahren hast war ich Pfingsten in Scheveningen bei Pützens. Es klappte alles Schlag auf Schlag, was früher bei langen Vorbereitungen schief ging. Vater Hans hatte meine Feldpostnummer mitgebracht; Julius hat geschrieben. Ich erhielt den Brief Donnerstag und war Samstag um 14,50 Uhr schon in Scheveningen. Als ich hier auf Grund des Briefes Urlaub bekam, habe ich Julius sofort angerufen. So kam die schnelle Verständigung zustande. Er war furchtbar nett.Wir hatten eine solche Freude, daß wir die Zeit vollkommen vergaßen; so ist es denn Samstag 4,30 Uhr geworden, bis wir ins Bett kamen. Pützens sind wieder sehr hübsch eingerichtet. Du kennst die Sachen ja. Aber das reizendste Stück kennst Du noch nicht und das ist der kleine Axel. Das ist ein ganz süßer Bengel. Ich bin ganz verliebt in ihn. Er klettert in seinem Ställchen um und strahlt jeden so süß an, dass man sofort gefangen ist. Auch Dieter ist ein reizender Bengel geworden und sieht jetzt genau so aus wie Männlein Stühlen in dem Alter.. Das Weiß-Ferdl- Gesicht ist ganz und gar verschwunden. Auch er ist zutraulich und recht jungenhaft. Wir haben auch natürlich Vater Hans besucht und dort leckeren Mosel getrunken, bei Julius waren es Schnäpse und Sekt und in einem Strandhotel war es Bier. Der kleine Schwipps, den wir in später Nachtstunde
alle hatten war also ehrlich verdient. Am Sonntag haben wir dann recht lange geschlafen, dann gebadet und um 11,30 Uhr, wo ich sonst also zum Mittagessen gehe, saßen wir um einen sehr reichhaltigen Frühstückstisch. Das Mittagessen haben wir dann ausfallen lassen und haben eine Radtour durch den Haag und Umgebung gemacht. Es war herrliches Wetter und endlich mal warm. Abends haben wir dann in einem Hotel zu Abend gegessen und um 21 Uhr bin ich wieder abgedampft. Von Alkmaar aus mußte ich dann zu Fuß laufen (1 Stunde). Es war eine herrliche Abwechslung und Pützens waren reizend wie immer und haben sich doll gefreut. Sie wollen jetzt mal über ein Wochenende nach hierhin kommen. Das wäre sehr fein.
Lotting, wenn Dir der Geburtstagsstoff nicht gefällt, dann verkaufe ihn ruhig, aber für das Geld musst Du Dir etwas kaufen damit Dein Geburtstagsgeschenk nicht wieder unters Fußvolk kommt. Aber wie kommst Du darauf, dass ich 20 Mk für den Meter gegeben hätte. Ich bin doch nicht verrückt geworden. Der ganze Stoff also die3 ½ Meter kosten 20,- Mk. Das ist auch noch zu teuer, aber ohne Punkte muss man eben alles überzahlen. Das ist nun mal nicht anders. Der Stoff gefielen mir auch nicht 100 %ig, aber es war gerade kein wirklich schöner zu haben und ich dachte mir, Lotti und Frau Thelen werden schon was Hübsches draus machen oder er wird verkauft. ( aber dann nicht für Mk 20,-)
Als ich nachts von Scheveningen in B. ankam, fand ich 5 Briefe von Dir vor und einen von Tante Lina und Lenchen. Deine Briefe werde ich Dir morgen beantworten. Ich habe sie nicht zur Hand und die Antwort passt auch nicht in einen Geburtstagsbrief. Die letzten 3 Tage vor Pfingsten war ich ohne Post.
Ich bin jetzt wieder ganz gesund, seitdem ich weiß, woher die schreckliche Unruhe und die Herzbeschwerden kommen.
Von Mutter bekam ich auch einen Brief, worin sie aber mit keinem Wort den Brief erwähnt, den ich hier geschrieben habe. Ich hätte ihr gern schon geantwortet aber durch die Reise und das Nachholen der liegengebliebenen Arbeit bin ich
noch nicht dazu gekommen. Sag ihr bitte, daß ich ganz bald schreibe, denn ich will mich doch bessern.
Ich habe nun das dumme Gefühl als ob wir nun doch die längste Zeit hier in Bergen gewesen wären. Ich tauschte es nicht gerne gegen die Kanalküste ein. Nach Kreta ginge ich dann lieber. Wenn es schon keinen Urlaub gibt, dann möchte ich doch gern was sehen von der Welt.
Heute morgen habe ich trotz Pullover noch gefroren wie ein Schneider, aber jetzt ist es warm geworden, sommerlich warm und unser Wald, in dem die Baracken versteckt liegen, ist endlich grün geworden und sieht lustig aus. Nimm Dir doch jetzt, wo der Wald so schön ist Mahlzeit und gehe mit den Kindern oder doch wenigstens mit den 3 ältesten mal in den Wald, ehe er sommerlich dunkel wird. Es ist zu schön.
Heinz Schilling hat mir einen Brief geschrieben, und weil Du gerne Briefe liesest, lege ich ihn bei.
Ich werde jetzt auch anfangen, Bücher, die ich gelesen habe zurückzuschicken damit sie mir bei einer eventuellen Verlegung nicht lästig fallen.
Da fällt mir ein, daß ich mich ja noch nicht für Dein Pfingsten Büchlein bedankt habe. Es war sehr lieb von Dir mir zum Fest einen Fontane-Gruß zu schicken.
Jetzt nehme ich Dich nochmals fest in den Arm, mein Herz. Bleibe mir gesund und frisch und warte, bis ich wieder komme und Dir die Sorgen abnehme.
Dein Mann hat Dich sehr lieb, Lotti! Dein Soldat