Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 27. Februar 1944

den 27.2.44

Liebster Mann,

Dies ist ein Hilfeschrei, bei dem ich mir nicht helfen kann. Kannst Du als Verwalter deswegen Urlaub bekommen? Die Salvinische Wohnung soll nun für Fliegergeschädigte hergegeben werden. Es ist ein Ehepaar aus Köln, einfache Leute. Das Wohnungsamt verlangt, ich solle die Möbel des Zimmers nach Garmisch schicken. Das Wohnungsamt kehrt sich an nichts und sagte, ich müsse sehen, wohin ich die Möbel tue, in den Keller oder nach Garmisch. Den Leuten ist die Wohnung zugesagt. Aus dem Zimmer machen sie ein Wohn- und Schlafzimmer und aus der Vogelschen Mansarde im dritten Stock eine Küche!!! Da das Zimmer nicht warm genug ist, wollen sie einen Ofen aufstellen und den durch die Diele von Herrn Dürholt leiten in den dahinter liegenden Schornstein!!!

Weil Du mit den Verhältnissen vertraut bist und den biestigen Mietern, kannst Du Dir diesen Rattenschwanz von Komplikationen vorstellen. Trennung der Flurbeleuchtungskosten, Anschluss an Dürholts Heizung!!

Das Beste wäre, das Wohnungsamt vermietete das Zimmer möbliert. Nun hat es scheinbar den Leuten die Wohnung zugesagt, ohne sich vorher die auf diese auf ganz bestimmte Verhältnisse zugeschnittenen Räume anzusehen. Die Leute, die ganz kleinbürgerlich sind und denen es nichts ausmacht, Notlösungen zu finden, die nicht überall durchführbar sind, haben erklärt, dass sie die Zimmer nehmen, und nun stellt sich das Wohnungsamt auf den Standpunkt (es ist Herr Arentz, der die Wohnung im Leben nicht gesehen hat) gut, die Leute kriegen die Räume, alles andere habe ich zu erledigen. Ich muss einen Spediteur suchen und die Einrichtung nach Garmisch schicken. Ich habe noch nicht an Salvinis geschrieben, ich weiß nicht, wie ich denen das beibringen soll. Denn die wollen ihre Möbel doch nicht nach Garmisch haben, die wollen sie hierlassen.

Kannst Du mir schnell antworten, damit ich weiß, wie ich mich verhalten soll? D.h., zu verhalten ist da nicht viel, aber um diese Sache richtig zu erledigen,

müsstest Du eigentlich hier sein. Wenigstens schreibe mir zuerst mal, was ich tun soll. Und stelle Dir Dürholt vor, wenn der über seine Diele ein Ofenrohr gelegt kriegt.

Was die Engelssche Sache betrifft, so stellt die Post die Behelfsbauten ausgerechnet zwischen Knapp und Moree, und von sechs Mark ist auch keine Rede mehr. Aber Frau Engels meint, ob sie diese Bauten jemals wieder vom Gelände runterkriegen, ausgerechnet von diesem Terrain, ist noch eine Frage. Praktisch sind Engels das Gelände dann los.

Außerdem ist es lausig kalt bis auf das Wohnzimmer. Wir kriegen, sobald es kälter ist, kein Zimmer warm. Von kalten Fluren will ich gar nichts sagen. Die Kinderzimmer sind nie über 16 zu kriegen, das Esszimmer wird höchstens auf 10 Grad erwärmt, sobald das Thermometer um Null ist, und die Küche ist sowieso fußkalt. Das sind auf die Dauer keine Zustände. Wir haben eben für alle Zimmer nicht die passenden Öfen. Wie das meine Stimmung und Arbeitslust lähmt, kannst Du Dir wohl denken. Waschraum und Bad sind sowieso eisig, und um sich innerlich aufzuwärmen, hat man weder Fett noch Schnaps.

Ich bin seelisch mickriger Stimmung augenblicklich, sobald die Temperaturen wieder höher werden, wird das besser. Außerdem merke ich eben, dass sich an der Schreibmaschine was gelockert hat. Aber nach Bonn bringe ich sie nicht. Lisbeth kam heute morgen aus Zissendorf. Sie konnte von Bonn bis Reuterstraße fahren, musste von dort bis Hochkreuz laufen, und dort stand zufällig ein Auto, das sie mitnahm. Die Autobusse fahren völlig unregelmäßig nach Bonn, und dann nur von der Plittersdorfer Straße aus, und nehmen, sobald sie besetzt sind, was in den meisten Fällen der Fall ist, nur Berufstätige mit Ausweis mit. Das war auch der Grund, warum Lisbeth nicht mitgenommen wurde. Gestern hat sie die Hinreise genauso gemacht, nachdem sie an der Plittersdorfer Straße eine Stunde stand und kein Omnibus kam. Lisbeth sagt, zwischen Friesdorf und Godesberg sieht es doll aus. Außerdem liegt der Schuster wieder im Krankenhaus.

In Eile, Deine Lotti

Walther Hufstadt ist in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. - Siegfried Biederbick hat Donnerstag vor acht Tagen still und leise geheiratet. Helmuth, der Flieger, musste bei einem Angriff aussteigen, ist aber heil.