Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 4. Mai 1944
den 4.5.44
Liebster Mann!
Es ist Jürgens Geburtstag. Für meine Begriffe sehr kriegsmäßig, aber er merkt nichts und ist zufrieden. Vor vier Jahren war es doch schöner.
Eben bekomme ich einen Brief von Dir, anscheinend vor dem geschrieben, der gestern ankam. Seid Ihr nun noch dort oder seid Ihr verlegt? Ich warte seit Tagen immer intensiver auf Dich und habe das Gefühl, nun müsste es doch endlich klappen mit dem Kommen. Ich werde ungeduldig und meine, es müssten uns mal wieder 14 Tage geschenkt werden, bei denen man nicht am Anfang schon das Ende vor sich sieht. Ich weiß ja, wir dürfen nicht klagen, wir, die wir es bis jetzt in dieser Beziehung doch so gut hatten, und trotzdem. … Mein Hauptinteresse gilt Deinem Urlaub und alles andere tritt dahinter zurück. Und wenn nicht das, dann wenigstens intensive Briefe. Ich weiß ja, dass Du sie nicht schreiben kannst und trotzdem, das Herz vermisst sie, eben das enge Zusammenleben mit dem anderen Menschen.
Denn auch hier ist dieselbe Hetze, und eigentlich müsste es ja heute abend so weitergehen. Hauptpunkte
Briefschulden, die nicht verschwinden wollen, und Strümpfe. Aber ich mag nicht. Ich mag abends überhaupt nicht und nehme mir die Beantwortung der Briefe für den nächsten Morgen vor, und das wird nie etwas.
Heute kam ein Fragebogen der N.S.D.A.P. nach dem Haushaltsvorstand und seiner Frau. Neben der Frage nach Wohnung, Kindern, Zugehörigkeit zur Partei, seit wann, Mitgliedsnummer und anderen Formationen wurde gefragt, ob Hausangestellte da sind, ob eine Hakenkreuzfahne da ist, ob der 'Westdeutsche Beobachter' gehalten wird, welche Zeitungen noch, welche Vereine noch und - wie der Rundfunkempfänger heißt. Wofür ist das nun gut?
Herr Holbach schrieb, dass er einverstanden sei, die Verwaltung an Möller zu geben. Nun schleppe ich alles hin, Herr Möller wollte aber ca. 30.- haben, statt 12.50, nun kriege ich heute eine Karte von Holbach, er sei nicht mit der Beautragung von Möller einverstanden, ich solle die Verwaltung wieder nehmen, bis er gelegentlich nach Godesberg käme. Jetzt fällt mir die undankbare Aufgabe zu, Möller alle Unterlagen wieder abzunehmen, und die Mieter wieder umzudirigieren. Dabei habe ich auch keine Lust mehr.
Kannst Du eigentlich meine Schrift lesen oder soll ich wieder Schreibmaschine schreiben? Unser Jürgen ist nun seine vier Jahre und hat sich eben ins Bett gelegt. Ich hatte Ilse Holtgreve mit der kleinen Helga zum Kaffee da. Nächste Woche kommt nun Ursel dran. Da müssen bergeweise Freundinnen eingeladen werden.
Die Versicherungen rühren sich noch nicht. Auch die Deutsche Krankenversicherung nicht, bei der noch die Rechnung vom Januar steht. Ich schicke Dir trotzdem im nächsten Brief Geld. Mein Familienunterhalt ist nämlich auch schon verbraucht, weil ich auch Kohlen und die anderen Rechnungen bezahlt habe. Es muss aber wohl in den nächsten Tagen etwas kommen.
Bitte schreibe Tante Klara (der amerikanischen) in Metzingen, Nürtinger Straße 21, ein paar Worte. Sie hat Dir kondoliert und bittet Dich sehr um Deine Feldpostnummer. Es braucht ja nur eine Karte zu sein.
Hansi hat am 10. Geburtstag und ich kann mich nicht aufraffen zu schreiben. Nächsten Monat geht sie in ein Heim. Dafür ist man nun verheiratet.
Ich möchte wieder blos schreiben: Ich warte, dass Du kommst. Ich bin so sehr ungeduldig. Es zerrt richtig. Aber was hats für einen Zweck? Wie gut, dass wir Husum und Jever und Berlin für immer in unserer Erinnerung haben.
Ich habe eben einen Stoß Danksagungen geschrieben. Ich beantworte nur die Blumenspenden und die persönlichen gehaltenen Teilnahmen, sonst komme ich, da ja alles mit der Hand geschrieben werden muss, nicht durch.
Viele liebe Küsse
Deine Lotti