Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 12. Mai 1944
den 12.5.44
Mein lieber Mann!
Heute kam endlich ein Brief von Dir. Weil er so ungewohnt dick war, dachte ich sofort, aha, er kommt noch nicht, und das war wie ein Stich. Aber immerhin, Du hast geschrieben. Dieser Brief entsteht nun auf dem Balkon nach Tisch in der Mittagssonne. Ich weiß noch nicht, wie lange ich das aushalten werde. Nach Deinen Vorschlag müsste ich ja jetzt einen Mittagsschlaf halten und ich verspüre auch Lust dazu, große sogar. Aber hier geht das doch nicht. Die Fünf lassen mich doch nicht dazu kommen, weil sie immer neue Wünsche und Anliegen haben.
Überhaupt weiß ich nicht, wo wir einschränken sollen. Im Putzen? Das Spülen ist da, das Flicken und das Einholen. Das Haus ist trotzdem unordentlicher im Aussehen wie andere, in denen nicht soviel getan wird, einfach, weil die Böden
Wände und das Holzwerk abgenutzt sind. Das Spülen ist da, das Flicken und das Einholen. Und dazu machen die Kinder so unendlich viel zusätzliche Arbeit. Und wir wollen doch nicht unordentlicher sein wie die kleinen Haushalte, bloß, es gelingt beim besten Willen nicht immer, weil der Tag bei uns nun mal nicht länger ist. Aber die Belastung in einem kinderreichen Haus ist heute doch enorm. Wir können also erst nach dem Alarm schlafen, und das geht eben nicht mehr so gut. Alle klagen darüber, dass sie nachher sehr lange nicht einschlafen können. Das Gehirn ist irgendwie überreizt.
Über die Folgen mache ich mir noch keine Gedanken, es ist eben so und muss hingenommen werden. Aber nervös wird man. Ich habe eigentlich nie viel Ohrfeigen ausgeteilt, und jetzt hagelt es bei der geringsten Unbotmäßigkeit, weil ich mir sage, ich kann nicht lange rumerziehen, es muss sofort sitzen. Und außerdem habe ich keinen Geduldsfaden mehr.
[Ende fehlt]