Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 30. Juni 1944
den 30.6.44
Mein lieber Mann!
Die Zeit läuft, und eben werde ich mir an Hand des Kalenders bewusst, dass es ja nun höchste Zeit ist, Dir den Geburtstagsbrief zu schreiben. So wird er ja hoffentlich gerade ankommen. Ich gebe Dir recht viele liebe Küsse, mein lieber lieber Mann. Wären wir doch zusammen. Ich werde am 9. viel an Dich denken und möchte, dass Du den Geburtstag hoffentlich nett denn geradzu schön wird er ja doch wohl nicht, feiern kannst. Ob wir Deinen nächsten Geburtstag zusammen feiern werden? Ob die große Auseinandersetzung bis dahin wohl entschieden ist? Man soll es wohl annehmen.
Ach mein lieber Mann, ich habe solche Sehnsucht nach unserem Zusammensein. Manchmal sage ich mir, dass die Fünf ja ein Stück von Dir sind, aber das ist eben doch eine Sache, die ihre zwei Seiten hat. Meistens ärgern sie mich ja und Gefühle zärtlicher Art haben dann keine großen Platz. Du musst eben doch her.
Ich wollte Dich heute anrufen, aber, das Gespräch war morgens angemeldet, um sechs Uhr sagte das Fräulein, die Leitungen in Hannover seien zerstört. Wie oft habe ich in diesen Tagen das Telefonieren versucht, und es ist nie geglückt.
Ebenso habe ich 300.- telegrafisch überwiesen. Das kostete übrigens 4.- Mk. die ja eigentlich auch Püschl zahlen muß. Schreib ihm, dass seine Frau die 4.- direkt mitüberweisen soll.
Hoffentlich kommt dieser Brief mit den Zigaretten an. Ich warte auf Deine Post eben wegen des Urlaubs, der ja doch wohl nicht kommen wird, ebenfalls sehr sehnsüchtig. Und trotzdem, ich denke, das Schwerste wird ja wohl diesen Sommer überstanden sein, und dann sind wir nächstes Jahr für immer wieder zusammen.
Der Geburtstagsbrief kommt mir so mager vor. Und es ist doch so, wie es Dir wohl auch geht: Man wünscht sich nur den Urlaub, und außerdem lebt man in der Spannung auf die Entscheidung. Alles andere tritt dahinter zurück und kommt nicht zum Durchbruch.
Aber ich küsse Dich recht lieb und herzlich.
Deine Lotti