Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 12. Juli 1944

den 12.7.44

Liebster Mann!

Ich will Dir nur eben gute Nacht sagen, zuerst baden und dann im Bett noch etwas lesen und an Dich denken. Wo bist Du jetzt? Ich denke nachts, wenn ich aufwache, viel an Dich, und ich wache jede Nacht ein paarmal auf.

Heute morgen kam Deine erste kurze Nachricht. Du armer Kerl, das kam sofort hinter den Bombenspezialisten, und wir mussten trotz allen Mitgefühls doch lachen, wenn wir uns die verschiedenen Situationen vorstellten. Das war was für den Film. Überwog die Tragik oder Komik? Jetzt hinterher wohl die Komik.

Dass Du es weißt: Heidis Zeugnis ist durchaus zufriedenstellend, finde ich: Haltung: gut, Deutsch mündl. gut, schriftlich befriedigend, Heimatkunde gut, Zeichnen

befriedigend, Rechnen gut, Schrift ausreichend. Damit wird sie nächstes Jahr das Examen aber schaffen.

Liebster, ich bin so froh, dass Du hier warst. Weiter weiß ich heute abend nichts.

den 13.7.44, ein Uhr nachts

Ich habe einen reizenden Nachmittag und Abend bei Frau Tenter verbracht, aber ehe ich ins Bett gehe, will ich Dir sagen, dass ich an Dich denke und dass Dich meine Gedanken irgendwo zwischen Metz und Le Mans suchen. Die Trennung von Dir ist wieder ganz neu, weil sie so viel einschneidender ist.

14.7.44

Schreibe bitte der Stadtsparkasse, dass die Unterschriftsvollmacht über Konto 1869 Erben Engels haben soll, denn ausgerechnet jetzt

ist das Scheckheft zu Ende. -

Ab Montag tritt eine vollständige Reisesperre für alle Züge ein. Es kann nur noch auf polizeiliche Genehmigung gefahren werden. Es gibt auch in Zukunft keine Bestellscheine mehr für Butter und Käse. Man kann dort kaufen, wo man's kriegt. Biederbicks z.B. haben nicht geliefert bekommen, weil der Händler kein Benzin hat. –

Ich habe Hansi vorgeschlagen, doch nach hier zu kommen. Was will sie allein mit dem Kind dort? Vielleicht wird sie jetzt zugänglicher. Ebenso habe ich Schultzens geschrieben, auf Hansi einzuwirken.

Ich habe heute die Antragsformulare für Schulgelderstattung zugeschickt bekommen. Das ist vielleicht ein Gefrage. Und zum Gesundheitsamt muss wieder alles, und gefragt wird, wie oft die Eltern sitzengeblieben sind und Tod und Teufel. Sechs lange

Seiten müssen ausgefüllt werden.

Viele liebe Küsse, Deine Lotti

Ich schreibe laufend so weiter. -- Ob die Briefe ankommen? Post von dort soll so gut wie keine kommen, höchstens mit Verwundetentransporten, aber vielleicht kannst Du sie Kurieren mitgeben. Ich bin so gespannt auf Deinen ersten, hoffentlich sehr langen und ausführlichen Brief.