17.1.45

Mein lieber Mann,

ich schreibe hier am kleinen Tischchen am Ofen, weil Klaus am Schreibtisch seine Schulaufgaben macht. Ein schweres Stück Arbeit. Nach jedem Buchstaben träumt er minutenlang vor sich hin. Morgen wird er nun 8 Jahre alt. Ist es nicht wie gestern? Deinen Geburtstag, das Fest-Abendessen, Thea kam aus Beuthen? Wir versuchen auch diesen Geburtstag festlich zu gestalten, aber es wird immer schwerer, und das meiste muß die Einbildung dabei tun.

Mir selber ist reichlich schwer ums Herz.. Du und die Kinder unerreichbar, der Ansturm im Osten, die immer knapper werdende Lebensmittellage im Westen usw. Werde ich die Kinder vor Kriegsende wiedersehen, werde ich sei überhaupt noch einmal sehen? Bei Dir ist es etwas anderes. Du schlägst Dich schon zu uns durch, wenn die Gelegenheit da ist, aber Kinder sind hilflos. Ich wüsste mir auch keinen Rat, wie ich sie wiederholen soll. Erlaubnis für die Bahn bekomme ich nicht. Ich müsste das

Ganze schon auf Lastwagen machen. Wäre doch blos die Möglichkeit, dass Du sie mir bringen könntest. Ich sehne mich so sehr nach ihnen. Zu einer Evakuierung nach Halle – Merseburg verspürt hier keiner die geringste Lust mehr. Schreibe mir doch blos Deine Gedanken über die Kinder und was Du überhaupt vom Ganzen hältst. Wenn wir nun die Russen nicht aufhalten können? Wenn es im Frühjahr wieder hier losgehen sollte? Mein Gedanke ist jetzt nur auf die Kinder gerichtet. Ich möchte sie alle bei mir haben. In diesem großen entsetzlichen Chaos sehe ich jetzt meine Aufgabe in dem Kreis der Familie und dem sie schützen und durchzubringen, soweit uns der Krieg am leben lässt. Nebenbei unter den erschwerten Umständen Arbeit genug. Vielleicht wirst Du jetzt wieder sagen, dass es gut sei, dass ich nur 3 Kinder zu versorgen habe. Aber diese Erleichterung wiegt leicht gegen die dauernde seelische Belastung, weil ich die Kinder nicht bei mir habe. Es nagt eben ununterbrochen.

Daß wir Beide auseinander sind, ist ebenso schwer

[Rest fehlt]