Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 14. Februar 1945
den 14.2.45
Mein lieber Mann!
Eben rief Dr. Reich an und erkundigte sich in Deinem Auftrag nach uns. Hoffentlich bekommst Du jetzt schnell Post von ihm, damit Du aus der Angst raus bist. Schließlich ist er ja Parteivorsitzender und weiß einen Weg. Oder ist er Geschäftsführer?
Und draußen ist das schönste Frühlingswetter. Die Schneeglöckchen kommen schon und Klaus fährt mit seinem Auto spazieren. Ich bin heute auch, wohl eine Folge des schönen Wetters, gleichmütiger gestimmt gegen die Zukunft, an der wir ja doch nichts ändern können.
Gestern hatte ich Dir aus Verzweiflung einen richtigen Klagebrief geschrieben, er liegt noch vor mir. Ich habe eben einen großen Klecks darauf gemacht, und nun muss er in den Papierkorb,
und das ist gut so. Wir können an dem ganzen Elend doch nichts ändern. Wir können nur hoffen und wünschen, uns selber nach dem Krieg (der ja wohl nicht mehr lange dauert) wiederzufinden und dann ganz uns und unseren Kindern zu leben. Damit werden wir dann auch genug zu tun haben.
In Sorau wird gekämpft. Da fehlt denn nicht mehr viel bis Finsterwalde. Und damals schriebst Du im Oktober, wie fern die Finsterwalder den Kriegsproblemen lebten. Und nun müssen sie vielleicht vor uns weg. In Sorau hatte Ilse Holtgreve all ihr Porzellan, Silber usw. Nach Guben hatte Frau Tenter noch Weihnachten alles geschickt. Frau Hillenbrand wird sich ja wohl auch Abreisegedanken machen.
Mein Finger ist wieder heil, blos tut er
noch sehr weh, wenn ich ihn bewegen will.
Helga hat heute geschrieben, d.h., geschrieben hat sie am 3.1. Nach der Einquartierung habe ich nun zwei Hitlerjungen, die in Godesberg schanzen sollen. Seit acht Tagen laufen sie rum, der größte Teil fehlt noch, Schanzgeräte sind auch noch nicht da. Wann die anfangen, möchte ich wissen.
Irgendwie habe ich den Krieg schon innerlich beiseite gelegt, weil ich der festen Ansicht bin, dass er nicht mehr lange währt. Ich denke viel mehr an Dich und wann ich die Kinder wiedersehe. Und irgendwie wird das Leben auch weitergehen, wenn wir die vielen Bomben überstehen sollten. Und irgendwie wirst Du auch wieder einen Beruf finden. Und es wird auch wieder aufgebaut werden, und wenn es nur in der
eigenen Familie ist. Noch sind die Kinder ja so klein, dass sie noch uns gehören. Lange wird das bei Helga und Heidi auch nicht mehr dauern.
Wirklich, mich interessiert nur noch, wie wir beide wieder zusammenkommen, weil die anderen Fragen schon bei mir beantwortet und damit erledigt sind. Aber Dich und die Kinder wiederzuhaben, das ist es, worauf ich mit ganzer Kraft zulebe. Wann das sein wird, wo das sein wird, entscheidet der Krieg, aber dann fange ich mit Dir zusammen wieder an. Manchmal denke ich an ein kleines hessisches Dorf, fern von allem, was Welt und damit Zerstörung heißt: Arbeit für Dich und damit Brot für uns, Blumen, Bücher, Abende mit gleichgesinnten Freunden, das wird wohl doch zu finden sein, mag der Krieg ausgehen wie er will. Und gerade die