Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 23. August 1941
Husum, den 23.8.1941
Mein liebes Lottenkind,
Gestern vor einer Woche habe ich Dich an den Zug gebracht und stand dann plötzlich ganz allein auf dem Bahnhof und sah nur langsam einen Zug und dann eine weiße Rauchwolke entschwinden. Ich empfand damals eine schreckliche Lehre, die ich noch nicht ganz überwunden habe, obwohl es an Abwechslung wirklich nicht fehlt.
Gestern, genau eine Woche später bin ich nun mit dem selben Zug die 4 langen Stunden nach Hamburg gefahren und hatte genug Zeit alles noch einmal zu überdenken. Ach Lotti, es war doch eine herrliche Zeit und Husum ist wirklich zur schönsten Stadt der Welt geworden aber nur durch Dich. Es liegt aber immer noch die Erinnerung in ihr beschlossen und deshalb habe ich mich gestern Abend auch gefreut als ich als erstes Todsens (?) großes Speicherhaus am Horizont auftauchen sah.
In Hamburg gab es Obst zu kaufen und ich habe mich wie ein Wolf drauf gestürzt. 2 Pfund Birnen und 1 Pfund Pflaumen habe ich an dem einen Tag gefuttert. Ich habe auch in Hamburg an Dich gedacht und 2 Paar Lockenkämmchen für Dich erstanden, die ich, wenn es Urlaub gibt, mitbringen werde. Ich warte doch schrecklich auf Urlaub.
Du schreibst in Deinen Briefen garnichts von meinen beiden Briefen und den 2 Karten von Nordstrand. Sind sie nicht angekommen. Von Hamburg habe ich auch eine Karte geschrieben. Deinen Brief mit dem Problem Anneliese habe ich erhalten und gestern Abend vorgefunden. Ich weiß nicht recht, ob Ihr es richtig macht. Anneliese war ein ganzes Jahr anständig. Wenn Ihr sie jetzt plötzlich anders behandelt, macht Ihr sie renitent. Dann verliert sie die Lust an der Arbeit und wird hinterhältig. Vorsicht ist natürlich am Platz.
Daß Aug. Bagel tot war, habe ich in Wilhelms M´ Gladbacher Zeitung gelesen. Ich hatte es nur vergessen, Dir zu sagen. Ein großer Verlust für den Vesdep (=Ehemaligenverein des Päda). Du Lotting, wo bleiben die Zeitungen. Bitte denke auch an den Film. Hier verkaufen die Geschäfte nur an alte Kunden. Wir Soldaten bekommen keine. Abonniere ja für den Winter eine recht schöne Zeitung ehe es zu spät ist. Die neue linie war doch immer sehr schön.
Der Brief von Hjalmar,, den Du mir nachschicktest war sehr lieb. Ich schicke ihn Dir wenn ich ihn beantwortet habe. Pützens haben auch geschrieben.
Hat Mutter was von sich und ihren Absichten hören lassen? Wo steckt sie jetzt?
Wir warten immer noch auf einen Entscheid, wie und wo wir aufgerüstet werden und wo wir eingesetzt werden. Es wird dann wahrscheinlich mal ganz plötzlich kommen und wer dann keinen Urlaub gehabt hat, der guckt durch die Röhre. wenn ich Urlaub bekomme, muß ich um 22,22 aus Altona den Urlauberzug nach Maastricht benutzen. Ich bin dann morgens gegen 6 in Duisburg und muß dann sehen, wie ich weiter komme. Wenn ich fahren könnte, wie ich wollte, würde ich ja über Hannover fahren, um durch die blühende Heide zu kommen. Ich muß jetzt so nebenbei die Bücherei der Gruppe verwalten. Es sind nur etwa 75 Bücher, aber es macht mir Spaß. Sehr viel Rares ist nicht hier, aber auch kein Kitsch. Im Augenblick lese ich ein Buch über G. v. Clausewitz von Gerh. Scholtz. Es ist recht gut geschrieben. Wilhelm hat wieder Urlaub über Sonntag. Ich bin ganz verteufelt neidisch. Ach Lotting, was war mein Sonntagsurlaub damals schön.
Lotti, schreib mir mal bitte die richtige Telefonnummer von Charly. Er tut mir so leid.
Mein süßes Lotting, ich küsse Dich recht, recht lieb Dein Harald