Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 6. September 1941
W`ooge, den 6.9.41
Mein liebes Lotting,
die Sonne scheint so schön auf meinen Schreibtisch und erinnert mich, daß ich heute noch nicht geschrieben habe. Ich habe leider noch keine Post von Dir heute bekommen und jetzt – um 5 Uhr nachmittags wird ja auch keinen mehr kommen. Das beeinträchtigt meine Stimmung immer sehr. Heute ist ein Haufen neuer Leute gekommen. Wir werden also doch aufgefüllt. In den letzten Tagen war es trotz des schönen Wetters und des herrlichen Mondscheins hier ruhig. Ich bade jetzt immer abends, denn am Tage habe ich keine Zeit. Das Wasser ist sehr schön warm und der Wellenschlag ist herrlich. Ich komme immer krebsrot raus., Dann gehe ich in die Kantine und trinke einen Schnaps und gehe ins Bett. Ich hoffe, daß so noch einige Pfunde weg gehen. Wegen des Urlaubs von 2 Leuten des Gruppengeschäftszimmers sitzen wir beiden Hinterbliebenen reichlich fest. Bei dem schönen Wetter hätte ich gern etwas mehr Zeit. Ich habe mich auf der Insel außer meiner Düne noch garnicht umsehen können. Ich sehe nur von meinem Ausguck, daß einige große Hotels am Strande stehen und daß davor so etwas wie eine Strandpromenade ist. Es gibt sogar einige Kurgäste hier. Es werden aber wohl in der Hauptsache Soldaten Frauen sein. Hier auf W´ooge liegt eine Menge Marine, sie wird ganz gehörig geschliffen.
Aufs Schiff kommen die armen Kerle, glaube ich, genauso wenig, wie ein gewöhnlicher Flieger ins Flugzeug.
Heeresberichte habe ich schon viele Tage nicht mehr gehört und da wir auch noch keine neuen Geheimberichte bekommen haben, die den Weg zu uns offenbar noch nicht gefunden haben, so weiß ich garnicht , was eigentlich los ist. Nach dem was ich so höre, sitzen wir offenbar im Osten etwas fest. Wahrscheinlich wird umgruppiert. Den nächsten Stoß vermute ich aus Richtung Gomel oder südlicher nach Südosten.
Die Witwenrente ist ja eine Katastrophe! Da muss man ja notgedrungen am Leben bleiben.
Es grüßt und küßt Dich herzlich Dein Harald