25.11.41

Mein liebes Mutterchen (an Auguste) ,

Du wirst auch denken, na was ist denn los, dass ich schon wieder einen Brief bekomme. Es ist mir beim wochenlangen Durchlesen Deines letzten Briefes aufgefallen, daß Du es als Unglück ansiehst, daß die Mu in absehbarer Zeit nicht kommt. Du schreibst, die Mu habe so eine Art, die alles leichter machen. Das kommt aber nur weil sie die Dinge an sich nicht herankommen läßt, in der alten Erkenntniss, daß nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, und dass es sich meistens hinterher herausstellt, daß die Dinge, die sie als besonders schrecklich ansahen, garnicht so schrecklich waren.

Ich glaube auch, daß Dir die Unruhe die ein so großer Haushalt mit so vielen kleinen Kindern (sc. mit sich bringt) zusetzt. Lotti schrieb mir mal, daß Du ihr oft leid tätest, denn Deine Nerven würden zu sehr beansprucht. Ich glaube das alles gern, denn Du bist ja schließlich nicht mehr die jüngste. Der Haushalt erfordert ja auch in Kriegszeiten viel mehr Arbeit und Nervenkraft als im Frieden.

Jeder Arbeit wird aber leichter, wenn jeder weiß, wofür er verantwortlich ist. Es wird dann viel unbewußte Doppelarbeit mit Fragerei vermieden. Nicht umsonst organisiert man über all die Arbeit, um Kräfte zu sparen. Ich glaube daher, daß auch bei uns eine gute Organisation vieles erleichtern würde. In Deinen Jahren kann (man) Dir auch nicht mehr alles zugemutet werden.

Es kann natürlich sein, daß ich die Dinge aus der Entfernung nicht ganz richtig sehe. Wenn mir daher bei meinem Vorschlag ein Fehler unterläuft, dann

kannst Du es mir ruhig schreiben.

Ich möchte folgendes vorschlagen: in unserem Haushalt gibt es besonders jetzt in der Kriegszeit, wo die Neubeschaffung fast gänzlich unmöglich ist, sehr viel zu nähen, flicken, stopfen. Die Kinder sollen immer niedlich und Heil angezogen sein, das ist heute wirklich eine Kunst. Ich halte es für richtig, wenn Du diesen Teil der Arbeit übernehmen würdest. Er läßt sich in verhältnismäßiger Ruhe machen. Dann halte ich es für unbedingt notwendig, daß Du täglich wenigstens etwas an die Luft kommst. Ich spüre es schon an mir, wie mich wenige Tage Zimmer Luft schlapp machen. Wenn ich dann mal wieder einen schönen Spaziergang habe machen können, dann ist mir gleich anders. Auch die Bewegung ist dem Körper nützlich. So, das wäre dein Gebiet. Die Lotti holt ein und kocht und die Anneliese putzt und hilft beim Kochen und Kinderversorgen. Lotti soll sich, soweit es ihre Zeit zuläßt, den Kindern widmen sie hat, wenn ihre Nerven intakt sind, eine wunderschöne Art die Kleinen zu leiten, ohne ihre selbst gewählten Spiele zu stören, denn wenn Kinder so spielen sollen, wie es die großen wollen, ist der schönste Spaß für sie weg. Daß Lotti die richtige Art mit den Kindern hat beweist mir zur Genüge, mit der die Gesellschaft an ihr hängt. Zum Nähen, stopfen und flicken hat sie kein großes Geschick. Es fehlt ihr dazu die Geduld. Wenn alles so organisiert ist, weiß jeder, was er zu tun hat, kann sich die Arbeit ein Teil und es kommt nie vor, daß etwas doppelt oder garnicht gemacht wird, weil jeder denkt, der andere hätte…

Auch das Denken ist nicht überlastet, denn jeder braucht nur an seinen Aufenthaltskreis zu denken.

Schreibe mir mal, was Du davon hällst und bespricht es mal, wenn Du es für angebracht hällst mit Lotto

Kommt mir aber nun nicht und sagt es geht nicht, denn es ist ja auch gegangen, als Du und Lotti verreist wart. Organisation ist die halbe Arbeit.

Ich lege nun diesem Brief noch ein kleines Bildchen bei. Ich habe es vorhin nach dem Gedächtnis gezeichnet. Es soll den Husumer Hafen darstellen. Lege es bitte in das Buch, das in dem Paketchen liegt. Es liegen da schon 2 Bildchen von mir drin. Ich glaube, daß Lotti sich darüber freuen wird, auch wenn es keine Kunstwerke sind!

Ich habe übrigens noch 2 schöne Bilderbücher kaufen können, die ich auch schicke. Sage es bitte Lotti. Sie sollen für die Kleinen zu Weihnachten sein.

Ich schreibe diesen Brief bei Kerzenschein, denn das Licht ist mal wieder kaputt. Das Licht ist sehr drüber und reicht nur so eben aus.

Es grüßt und küßt Dich herzlich                                 Dein oller Jung.

Kannst Du nicht Tante Wilhelmine mal Fragen in welcher Apotheke Erwin in Wilhelmshaven ist. Es kann sein, dass ich mal hinkommen, dann würde ich ihn aufsuchen. Wie geht es Frau Eichenberg?