Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 30. November 1941

30.11.41

Mein liebes Lottenkind!

Ach, was habe ich mich gestern Abend geärgert, am heiligen 1. Adventssamstagnachmittag. Ich hatte frei und war 2 Stunden bei herrlichem Sonnenschein, der den Nebel endlich verdrängt hatte, am Meer spazieren gegangen. Vorher hatte ich 5 Briefe gelesen, die das Postflugzeug mitgebracht hatte, 2 von Dir, 1 von der Mutter, 1 von Hj.v. Schwartze und einen von der Mu. Ich war rundrum fröhlich und habe am Strand laut Adventslieder gesungen, um 7 Uhr ging ich zu Hauken und meldete ein Gespräch nach Godesberg an, denn das hatte ich mir als Advent Freude für Dich ausgedacht, ich hatte ich hatte Mutter auch geschrieben, dass ich anrufen würde, die Verbindung war binnen 15 Minuten hergestellt, aber ach, der Teilnehmer meldete sich nicht, Fräulein, bitte wecken Sie noch mal kräftig durch, und noch mal und noch mal, kein Erfolg. Ich versuchte es ¼ Stunde später noch mal, genau dasselbe Bild. Um 8 Uhr meldete ich das3. Gespräch an. Es kam und kam nicht. Ich habe reklamiert noch und noch, es kam nicht, um ¼ vor 11 mußte ich dann verzichten, sonst wäre ich zu spät am Flugplatz angekommen. Wo habt Ihr denn blos gesteckt? Wart ihr aus, oder war das Telefon nicht nach dem Wohnzimmer umgeschaltet, daß Ihr es beim Radio spielen nicht gehört habt oder lag der Hörer nicht auf? Ich hatte mich so gefreut, Euch am 1. Adventssonntag zu hören und Euch eine Freude machen zu können. Um 6 Mk erleichtert und ohne Erfolg bin ich dann herum getrocknet. Die ganze schöne Adventsstimmung war zum Teufel.

Ich ärgere mich heute immer noch ein bißchen, aber nicht mehr so sehr. Ich hätte beinahe vergessen, mich für das liebe Adventspäckchen mit dem reizenden Büchlein, den herrlichen

Zigaretten und dem leckeren Kuchen. Hab recht herzlichen Dank dafür. Alles kam pünktlich an und hat eine große Freude bereitet. Auch dafür wollte ich Dir mündlich danken.

Wenn es mal etwas ganz Wichtiges gibt, kannst Du mich auch jetzt, wo die Leitung wieder funktioniert, fernmündlich tagsüber erreichen und zwar Wangerooge Luftwaffe App. Nr. 21. das ist Dir sicher eine Beruhigung. Ich selbst kann über diesen Apparat nicht anrufen, weil uns das verboten ist, wir können aber angerufen werden.

Von einer Verlegung ist z.Z. überhaupt nicht mehr die Rede. Es scheint nun so, daß wir doch hier überwintern. An Urlaub ist leider trotzdem nicht zu denken, ich werde diese Weihnachten genau so ihr rumhängen, wie ich vor Weihnachten in Bergen gehangen habe, nur ohne die Aussicht Neujahr kommen zu können. Es ist fieß, denn das vorherige Weihnachtsfest steht mir noch nie ein schrecklicher Traum in der Erinnerung.

Das Buch, das Dir Mutter zum 1. Advent gegeben hat, enthält auch 3 Zeichnungen, die ich für Dich gemacht habe. Zwischen den 2 Dünenbergen führt mein täglicher Weg zum Strand. . Du siehst meine Fußstapfen. Ganz weit an der Kimmung ist das Feuerschiff “Außenjade“ zu sehen. Das Bild ist aus dem Gedächtnis entstanden und soll den Husumer Hafen darstellen. Das 3. Bild stellt die Kugelbake am Ostanleger dar. - Eben schmettert die Inselflak los. - Ich wollte Dir mit den Bildern eine kleine Freude machen. Zeige sie aber niemandem, denn sie sind doch zu diletantisch.

Bekommst Du eigentlich Obst für die Kinder? Es soll doch welches zugeteilt werden. Für die Wehrmacht ist es sicher nicht beschlagnahmt, denn wir sehen keines. Was war das im vergangenen Jahr in Holland schön, wo ich pfundweise die herrlichsten Äpfel gegessen habe. Mein Obstersatz, die Hagebutten, sind nun auch (unleserlich).

Der Brief heute wird nicht sehr schön, ich bin noch zu ärgerlich. Grüße bitte auch die Mutter und die Kinderchen. Es küßt Dich recht lieb
Dein Harald,
der zu gern mit Dir gesprochen hätte.