Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 12. Januar 1942
Den 12. 1.42
Mein liebes Lottenkind,
Es ist nun eine lange Zeit vergangen, in der ich einfach nicht schreiben konnte. Ich weiß nicht, woran es lag. Es war eine Spannung in mir, die ich selbst nicht erklären konnte. Ich hatte natürlich sehr viel zu tun, weil ich Wilhelms Arbeit mitmachen muß aber das erklärt es sicher nicht. Sie gab sich auch noch nicht nach Deinem Anruf, obgleich ich Dir versprochen hatte, gleich zu schreiben. Wilhelm Lehbring wollte mich des Abends besuchen und mit mir ein Stündchen im Majorszimmer, dass ich nach meiner Rückkehr kaum betreten hatte, verplanen. Ich lehnte ab. Wie gut war das, denn an dem selben Abend 9 Uhr warf der Tommy 4 Bomben und davon eine mitten auf den Gefechtsstand der Gefechtsstand, das Majorszimmer, das Gruppengeschäfts-
zimmer und mehrere anschließende Räume existieren seit der Zeit nicht mehr. An ihrer Stelle gähnt ein riesenhaftes Wasserloch. Unsere Zimmer in derselben Baracke sind fast unbeschädigt, aber hübsch durcheinandergeflogen sind wir. Es gab leider auch einen Toten, einen Schwer – und 2 Leichtverletzte. Hätten wir im Majorszimmer gesessen! Gestern war ich zwar noch etwas verdaddert aber fröhlich und guter Dinge. Die Spannung war weg. Wir haben die Nägel in unseren Zimmern, die 2-3 cm aus Fußböden herausgekommen waren wieder eingeschlagen und Abends bei Kerzenschein unseren 2. Geburtstag gefeiert. Seitdem haben wir weder Licht noch Wasser, aber ich bin wieder froh. Ich schicke Dir einen Bombensplitter, den ich beim Aufräumen fand mit. Sie liegen hier zu 100ten rum oder stecken in den Wänden. Ich warte nun auf Deinen Anruf von Engels und werde ihn sofort beantworten. Du bekommst jetzt auch wieder regelmäßig Post von mir.
100.0000 liebe, herzliche Grüße,
Dein Harald
Grüße auch Mutter und die Kinder