Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 7. März 1942

7.3.43

Mein liebes Lottenkind,

es ist wieder Abend geworden und ich sitze vor einem alten Ungetüm von Schreibmaschine, auf der fast alle Typen schief stehen, sodaß man auf die Dauer betrunken wird, wenn man immer daraufsieht. Im Radio wird ein Artickel von Dr. Göbbels verlesen, der im Reich erschienen ist. Dabei fällt mir ein, daß ich hier wohl keine Gelegenheit haben werde, Dir das Reich zu besorgen, da ich ja garnicht herauskomme. Das tut mir umso mehr leid, als ich weiß, wie Du Dich immer darüber gefreut hast.

Die Post beim Jafü scheint garnicht recht zu klappen, denn hier gibt es tagelang für die ganze Einheit keine Post, da ist man hier schon dran gewöhnt. In Wangerooge war das ja zu verstehen und oft einfach nicht zu ändern, aber hier? Ich habe doch noch keinen einzigen Brief auf meine neue Feldpostnummer bekommen. Es kümmert sich hier aber auch keiner drum, denn die Herren Offiziere bekommen ihre Post durch das Kasino. Da wird sie sicherlich hingebracht.

Heute war Major Mix hier und hat mich zum Staunen der versammelten Mannschaften überaus herzlich begrüßt. Er sagte im Scherz u.a. Na, Endemann, wann kommen sie den wieder zu uns? Worauf ich mir nicht verkneifen konnte zu sagen, Herr Major, wenn ich könnte, zu Fuß übers Eis.

Ich bekam heute einen Brief von Tante Anna Endemann aus Kassel mit der Anschrift ihres Sohnes Georg, der Oberstintendant in Amsterdam ist, (der frühere Kirchenrat). Denk mal er hat meine 1. Feldpostnummer L04147A. Über Benth. Ich würde ihm gerne sofort schreiben, möchte aber gern erst wissen, ob Du was in Bonn hast erreichen können, denn Bonn oder Hangelar oder Köln wären mir doch noch lieber als Amsterdam. Ich will also erst mal Deine Antwort abwarten, ob Du glaubst, für mich was erreichen zu können. Erst wenn dort keine Aussicht besteht, würde ich mich in Amsterdam bewerben. Kriegsgericht wäre ja auch für mein späteres Vorhaben kein Fehler. Tante Anna würde ich natürlich sofort danken.

Von Silbermann bekam ich heute auch einen Brief, den ich als Delikatesse beilege. Es ist aber nett, daß er sofort geantwortet hat. An Becker hatte ich auch eine Postkarte geschrieben. Läßt er sich mal bei Dir sehen, dann grüße ihn schön von mir. Wenn das Lebensgeschäft so gut geht, und das glaube ich gerne, denn die Leute werden ja ihr Geld nicht los und suchen Anlagen, dann überlege Dir doch mal, ob wir durch Becker nicht auch irgend eine Beziehung auswerten können. Vielleicht hängt da eine Reise nach Jever dran. Ich werde es auch mal überdenken.

Deine Worte, daß Du natürlich auch nach Jever kämest und das Du mich und nicht Wangerooge besuchen wolltest, haben mir doch recht gut getan. Es wäre aber doch viel schöner, Du hättest neben mir noch Wangerooge als Jever gehabt. Ich bin nun mal auf Jever schlecht zu sprechen, obgleich ich ich es ja noch garnicht kenne , aber es hat bei mir verspielt. Vielleicht ist es ganz hübsch hier, ich bin ja noch nicht raus gekommen und werde es in absehbarer Zeit auch kaum.

Daß Ernst nun Knall auf Fall auch weggekommen ist, habe ich Dir ja gestern noch schnell geschrieben. Es ist sehr schade, aber es ist nichts dran zu machen. So wird man wie ein Paket in der Welt herumgeworfen und nicht gefragt, ob es einem paßt.

Aus Deinem letzten Brief, es war nicht Dein letzter, ich habe ihn bloß als letzten bekommen. - Er ist lange irgendwo hängen geblieben.- Habe ich nun erfahren, daß die Mu wieder bei Euch ist und daß es ihr gut geht. Es war für mich eine richtige Erleichterung, das zu wissen. Ich mache mir doch allerhand Sorge um Euch. Hast Du Dir schon Überlegt, wie Du rum räumen willst. Ein Kinderzimmer ganz oben zu lassen, halte ich nicht für praktisch, denn es gibt dann immer wieder Treppen zu laufen, auch wenn die Größeren nicht so viel Wartung brauchen als die Kleinen. In unser jetziges Wohnzimmer müssen doch 4 Kinderbettchen hineingehen! Vielleicht muß eine Flurtür verstellt werden, wie wir es früher hatten. Schreibt mir mal, wie Du es machen willst.

Es grüßt und küsst Dich herzlichst
Dein Harald

Der Brief strotzt von Fehlern, aber ich habe weder Zeit noch die Lust sie zu verbessern. Zum Teil ist auch die ulkige Schreibmaschine dran schuld.