Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 3. April 1942
den 3.4.1942
Mein liebes Lottenkind,
nun ist es schon Karfreitag und ich bin noch zu keinem Osterbrief an Dich gekommen. Gestern haben wir eine kleine Feier gehabt – wir Schreiber und die 3 hierherversetzten Mädels – die als Einstandfeier für alle neu hierherkommandierten gedacht war. Es wird hier sehr darauf gehalten, daß jeder neu hinzukommende sich in dieser Beziehung nicht Lumpen läßt. Das hatte ich nicht gewußt. Ich habe nun Glück gehabt, daß es nun auf einmal gleich 4 waren, auf diese Weise ist es mir nicht allzu teuer gekommen, weil wir uns in die Kosten geteilt haben. Mit dem Geld ist es hier überhaupt eine komische Sache. Ich habe bis heute meine Frontzulage für den Februar noch nicht. Sie wird nachgezahlt und müßte somit noch von Wangerooge bezahlt werden. W. will eine Bescheinigung nach hier abgeschickt haben, aufgrund deren mir die Zulage hier ausbezahlt werden kann. Diese Bescheinigung ist aber immer noch nicht in der Hand des hiesigen Rechnungsführers. Daher habe ich auch für März noch kein Geld abschicken können. Ich tue es aber sofort, sobald ich das Geld bekomme. Außerdem habe ich ja auch Waren geschickt, die ich auf das Januargeld verrechnen will. Das 1. Paket mit Rum und Creme hatte einen Wert von etwa 8-9 Mk, das 2. mit Schokolade usw. einen solchen von etwa 5 Mk, so daß 14 Mk für Januar aufgeholt sind.
Die Feier war übrigens sehr lustig. Die Mädels waren übermütig und waren den Umgang und den Ton von Lanzern so gewöhnt , daß es keine peinlichen Situationen gab. Wenn Du gehört hättest, wie es manchmal zugegangen ist, Du hättest die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.Ein Krieg bringt immer eine enorme Umstellung auch in dieser
Hinsicht mit sich und dieser Krieg, in dem die Weiblichkeit mit den Lanzern zusammenarbeitet noch viel einschneidender als alle früheren. Es herrscht ein sehr offener Ton, das kannst Du glauben, ich war manchmal starr. Heute haben wir alle etwas Mattscheibe.
Ein Osterbrief ist das ja nun gerade nicht. Jetzt, wo ich das Wort Ostern schreibe, sehe ich im Geiste den herrlichen Frühstückstisch mit den bunten Bändern vor mir. Hoffentlich ist mein Paket noch rechtzeitig angekommen, vielleicht hast Du auch noch ein paar Eier auftreiben können, sodaß die Kinder doch nicht so empfinden, daß Krieg ist. Du bist in solchen Sachen ja immer sehr findig gewesen und hast es sicher auch in diesem Jahr wieder nett gemacht.
[Am Rand:] Walter Maiss läßt Dich brieflich grüßen. W. Lichtschlag liegt hier in der Nähe in Sanderbusch im Marinelazarett.
Bei Euch wird sicher der Frühling schon alles verändert haben. Hier haben wir wieder mal Nachtfröste bis zu 6 Grad, sodaß sich in der Natur noch nichts rührt. Auch aus diesem Grunde ist es besser, wenn Du erst im Mai kommst. Du frierst Dich hier sonst kaputt. Ich habe Ostern an beiden Tagen Dienst, weil ich für Kameraden welchen übernommen habe. Was soll ich hier mit freier Zeit machen? Wenn Du aber erst hier bist, dann müssen mich die Brüder hier vertreten, sonst haben wir nichts voneinander.
Ich habe jetzt schon 2 Tage keine Post von Dir mehr bekommen, hast Du nicht geschrieben oder hat die Post wieder geschlampt. Inzwischen ist ja nun auch das neue Mädchen bei Euch eingetreten. Wie macht sie sich? Hoffentlich ist sie nun auch eine wirkliche Entlastung. Sag nur der Mutter, daß sie sie nicht wieder gleich vergrämt.
Mit den Zigaretten bei Biederbick das ist ja ein tolles Stück. Selbstverständlich muß er die Zigaretten nachliefern. Ich habe früher für über 200 Mk Rauchwaren im Jahr von ihm bezogen und damit das Kontingent, was er heute hat, mit geschaffen. Er muß die zustehenden Zigaretten rausrücken, sonst werde ich ungemütlich. Ich weiß doch von Kameraden, die ebenfalls Kaufleute sind, wie der Schwindel gemacht wird. Der Kunde wird nach Strich und Faden betrogen und mit der auf diese Weise übrigbleibenden Ware, wird Tauschhandel betrieben. Wenn ich Ende April nach Godesberg komme, und der Bruder hat die Zigaretten nicht rausgerückt, dann mache ich ihm einen sehr unangenehmen Wirbel, darauf kann er sich verlassen. Hat meine Mutter und die Mu denn keine Raucherkarte (,) auf meiner ist schon bald Mai.
Wie schön wäre es, wenn wir morgen einen schönen Spaziergang machen könnten mitten durch den Godesberger Frühling. Ich sitze hier zwar im Wald und die Tannen kann ich von meinem Fenster bald greifen und von meinen Balkonen habe ich schon das fast zahme Dammwild gefüttert, aber es ist alles noch vollkommen winterlich tot und von den Tannen habe ich vor der Hand nicht mehr, als daß sie mir das Zimmer dunkel machen, sodaß fast den ganzen Tag Licht brennen muß
Schade, daß Du diesen Brief wohl nicht mehr zu Ostern bekommen wirst, da ja am 2. Ostertag wohl keine Post ausgetragen wird. Trotzdem sind meine Gedanken übermorgen natürlich bei Euch und ich werde den Tag im Geiste so miterleben, wie ich ihn gewöhnt war. Hier wird das Osterfest ja ganz anders aussehen. Vom Fest und Festesstimmung wird nicht viel zu merken sein, nur die Zahl der Betrunkenen wird etwas höher sein. Es besteht übrigens die Möglichkeit, daß wir vielleicht im Juni von hier nach Stade verlegen. Die Deutsche Bucht lerne ich auf diese Weise ja ziemlich genau kennen.
So nun grüße ich Euch alle recht lieb und gebe Dir einen lieben langen Osterkuß Dein
Harald