Harald Endemann an seine Frau Charlotte, Mai 1942 (?)
[Undatiert, vermutlich Mai 1942)
Mein liebes Lottenkind,
zum Muttertage bekommst Du noch einen recht lieben Kuß nach. Es tut mir herzlich leid, daß ich erst so spät davon erfuhr, sodaß meine wenn auch kurze Post nicht einmal rechtzeitig dort sein konnte. Die Nachricht vom Tode des Reinhard Herkenrath und des Ernst Berkenhoff hat mich schwer erschüttert. Die Zahl der Bekannten, die dieser Krieg schon verschlungen hat, ist doch schon bedenklich angewachsen. Ob der Heiner Göbl auch tod ist? Ich kann garnicht verstehen, daß er sich garnicht meldet. Ein Brief an ihn kam auch vor langer Zeit wieder zurück. Es stand allerdings darauf “ Neue Anschrift abwarten“.
Heute ziehen wir innerhalb des Frostes um. Wie man hört werden wir etwa im August nach Stade bei Hamburg verlegen.
Was macht denn Dein Arm? Ich habe den Eindruck, daß sich die Sache diesmal als hartnäckiger erweist als zu Weihnachten. Was haben Helgas Beulen auf sich, was macht Heidis Umlauf? Diese Fragen, die ich schon verschiedentlich stellte, hast Du mir noch nicht beantwortet.
Mir geht es recht gestreift, aber doch unverkennbar besser. Ich habe gestern zum 1. Mal seit langer Zeit Apetit gehabt. Diesen Apetit habe ich ins Forsthaus getragen und habe eine herrliche Scholle mit Kartoffelsalat zu Abend gegessen. Das hat mir sehr gut getan.
Trotz aller Bedenken, die Du schreibst, meine ich doch, du solltest kommen. Es ist nie falsch angelegtes Geld, daß man an seine Gesundheit wendet. Ich werde nächste Tage hier etwas festmachen, und es kann sein, daß Du dann ganz kurzfristig kommen mußt. Wie wäre es, wenn Du anschließend zu Schultzens führest, wo Du dann doch einmal hier oben bist. Du könntest dann Deinen Erholungsurlaub ohne größere Kosten um 14 Tage verlängern.
Vorsorgen mußt Du für den Winter müssen unter allen Umständen Kartoffeln, Möhren, Weiß- und Rotkohl, , viel Bohnen (auch weiße) und Marmelade beschafft werden. Auch versuche mal bei Bauern getrocknete Erbsen zu bekommen. Mutter muß in Nassenerfurt auch zu sehen, daß sie so etwas auftreibt. Ein gemacht muß zur Not ohne Zucker werden. Wenn irgend möglich würde ich viel Zwetschenmuß kochen. Zu diesem Zweck würde ich schon jetzt mit Weber (Plittersdorfer Aue) Fühlung nehmen (er kannte Vater gut). Ebenso müssen wieder Zwiebeln von Hüllen oder vom Lascherhof sichergestellt werden. Nimm auch mit Schmidt s , Ittanbach Fühlung und Frage, was sie uns besorgen können. Du hast doch jetzt die beste Zeit. Du kannst auch hier und da ein Kind mitnehmen. Wer aber nicht frühzeitig sorgt, wird überall zu spät kommen. Ein Reich zur Freizeitgestaltung!
1000 liebe Grüße und Küsse
Dein Harald